Frisch gemacht!
Phänomen, das die Frauen dieser Erde irgendwie nicht in den Griff bekommen. Da werden wir Neurochirurginnen, fliegen zum Mond, werden fast Kanzlerkandidatin, aber können den eigenen Kerl nicht domestizieren. Meine Mutter ist sich nicht sicher, was die Windpocken angeht: »Andrea, ich habe drei Kinder. Meinst du, ich weiß da noch, wann da wer wie Ausschlag hatte? Ich glaube, du hattest Windpocken, oder waren es die Masern? Na ja, du wirst es ja merken«, ist ihre reichlich trockene Antwort auf meinen panischen Anruf. Sehr beruhigend. Also heißt es abwarten. Schön, dass sich meine Mutter überhaupt dran erinnert, dass sie Kinder hat. Da kann ich ja wirklich froh sein. Ich nutze die Chance, sie am Telefon zu haben, und frage sie wegen morgen: »Mama, ich habe eine Riesenbitte. Könntest du, also vielleicht, wenn es irgendwie geht, morgen auf Claudia aufpassen?« Pause. Ein
kleines Stöhnen und dann die Erlösung. Sie sagt ja. Einfach so. Ich muss nicht mal groß rumbetteln. Ich schwöre mir sofort, nie mehr was gegen meine Mutter zu sagen. Sie ist und bleibt ein guter Mensch. Hab ich immer gesagt. »Mama, das ist lieb. Wenn es geht, komm so gegen acht, viertel nach. Ich eile mich und bin dann um halb drei wieder da. Okay?« Hoffentlich hat sie es sich nicht wieder anders überlegt. Nein, hat sie nicht. »Kein Problem, Andrea, ich steh auf der Matte. Acht Uhr. Also bis morgen.« »Meine Mutter kommt und betreut Claudia«, rufe ich voller Stolz Christoph zu. »Gut«, ist sein einziger Kommentar. Etwas mehr Begeisterung wäre durchaus angebracht gewesen. Wenigstens Dankbarkeit. Aber was erwarte ich? Wunder?
»Du bist selbst schuld, dass Christoph sich so anstellt, du musst ihn in die Pflicht nehmen«, hat mir Heike, meine Münchner Freundin, auf mein gelegentliches Vorjammern lakonisch geantwortet. »Ihr Frauen seid doch blöd, fordert die Typen. Lasst dieses Verhalten nicht durchgehen.« Schön gesagt. Sehr schön. Nur ist Heike, was die Männer angeht, nicht direkt eine Fachfrau. Sie persönlich bevorzugt Frauen. »Ich weiß auch, warum, wenn ich deine Geschichten höre«, hat sie mir oft genug gesagt. »Bei den Frauen kenne ich mich aus. Das ist vertraute Materie. Noch dazu appetitlicher verpackt.« Wie in der Persil-Werbung von früher. »Da weiß man, was man hat.« Ein Argument, keine Frage. Aber eine sexuelle Neuorientierung geht mir dann doch zu weit. Das mit dem Fordern hat mir allerdings eingeleuchtet. Als Claudia noch ganz klein war, habe ich das auch einmal probiert. Mit durchschlagendem Erfolg:
Claudia war ein halbes Jahr alt und seit einigen Wochen in der Kinderkrippe »Zwergenaufstand«. Zwergenaufstand war die elfte Krippe, die ich mir angeschaut habe. Nicht die schönste, aber dafür die einzige, die tatsächlich einen Platz frei hatte. Weil ein angemeldetes Kind umgezogen war. Der Vater wurde versetzt. Ich hätte glatt ein Dankesschreiben an seine Firma richten können. Einen Tag Bedenkzeit haben mir die Zwergenaufständischen gegeben.
»Sie müssen sich schnell entscheiden, sonst ist der Platz weg«, ermahnten sie mich. Krippenplätze sind Mangelware. Es ist einfacher, eine Sonderausgabe der neusten Louis-Vuitton Tasche zu bekommen als einen Betreuungsplatz für Kleinstkinder. Wer nicht allein erziehend ist, kann es eigentlich fast vergessen. Natürlich könnte ich das behaupten, schließlich sind Christoph und ich nicht verheiratet und ich komme mir oft genug wie eine Alleinerziehende vor, aber das bringe ich nicht fertig. Schlaue Mütter, die wieder arbeiten wollen oder müssen, melden sich schon in der Planung der Schwangerschaft bei ihrer bevorzugten Krippe an. Erst die Krippe, dann die Empfängnis. So ist die Reihenfolge. Schlaue Mütter. Ich habe das belächelt. Das war leider alles andere als schlau. So konnte ich, ganz untertänige Bittstellerin, von Krippe zu Krippe tingeln und um Aufnahme betteln.
Ich kam mir vor wie Maria mit dem Neugeborenen. Nur dass Joseph nicht an meiner Seite war, sondern es sich so lange daheim gemütlich gemacht hat. »Ich weiß nicht, ob ich das beurteilen kann, und außerdem, wegen mir kannst du auch daheim bleiben«, hat er argumentiert. Der Wunsch, wieder arbeiten zu gehen, ab und zu unter Erwachsenen
zu sein, über andere Dinge zu sprechen als Windelsorte und Zahnwachstum, hat ihn nicht überzeugt. Das merkantile Argument fand er dann doch schlüssiger. »Ich will mein eigenes Konto, ein eigenes Einkommen und nicht für jedes neue T-Shirt bei dir
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