Frisch gemacht!
schon diverse Male dezent zu verstehen gegeben. Wenn die von der Geschichte hören, werden sie schockiert sein. An meinem Verstand zweifeln. Sich als Kronzeugen für meine Entmündigung zur Verfügung stellen. Und wenn schon.
Um Viertel vor zwei wage ich es und rufe in der Kanzlei an. Am Telefon eine komplett genervte Frau Trundel. »Alles was recht ist, Frau Schnidt, aber was Sie mir da zugemutet haben, das ist skandalös. Das lasse ich mir nicht gefallen. Ich bin in der Gewerkschaft«, motzt sie sofort los, als sie merkt, dass ich am Telefon bin. Ich nütze die Atempause, um ihr zu sagen, dass ich Claudia jetzt abhole. Sie stöhnt
nur. Etwas Begeisterung hätte ich schon erwartet. An sich recht nett von mir, dass ich direkt nach Dienstschluss angerauscht komme, schließlich hätte ich mir ja auch noch einen entspannten Stadtbummel ohne Kleinkind gönnen können. Aber so bin ich ja nicht.
Insgeheim verstehe ich natürlich, dass die Trundel pottsauer ist. Aber wäre ich Frau Trundel, hätte ich sofort den Herrn Papa angerufen und ihm sein Kind übergeben. Selbst schuld, wenn sie sich das nicht traut. Zu viel Ergebenheit den Chefs gegenüber zahlt sich nicht aus. Hoffentlich geht es Claudia gut. Ich beruhige mich, wie schon den ganzen Vormittag lang, damit, dass auch eine Frau Trundel einen gewissen Anstand besitzt und weiß, dass die Kleine ja wohl kaum die Schuldige ist. Außerdem hat die Trundel selbst ein Kind, da wird die wohl wissen, wie man damit umgeht. So was verlernt man ja nicht. So oder so – einen Vormittag in nicht optimaler Betreuung werden Kinder sicher überstehen. Wenn man daran denkt, dass in anderen Ländern Kinder, kaum älter als Claudia, quasi rund um die Uhr Teppiche knüpfen oder Steine schleppen, dann muss ein gewöhnliches mitteleuropäisches Kind wie meine Tochter so ein paar Stunden schon mal überstehen.
Und tatsächlich: Claudia sieht prima aus. Was man von Frau Trundel nicht direkt behaupten kann. Und von ihrem Zimmer auch nicht. Es sieht aus wie in einem Büro, in dem eine schlecht organisierte Person seit Wochen Gelage veranstaltet. Und mitten im Raum, mit Claudia auf dem Arm, steht der entgeisterte Christoph. Sein Gesicht hat die Farbe einer frischen Wassermelone, und es würde mich nicht wundern, wenn er gleich wie Rumpelstilzchen auf und ab
hüpfen würde. Wer ihn so sieht, weiß, was«kochen vor Zorn« bedeutet. »Danke, Andrea«, zischt er mit ruhiger, aber fieser Tonlage, »vielen Dank dafür, dass du mich vor dem kompletten Büro zum Depp gemacht hast. Reizend. Deine Terrakottafliesen kannst du dir für die nächsten Jahre in die Haare schmieren. Das hier kann ich, wenn überhaupt, nur durch extreme Mehrarbeit je wieder gutmachen. Vergessen wird das niemals einer. Das gab’s hier noch nie, dass eine Frau sich so vollkommen gestört benimmt. Was hast du dir dabei gedacht?« Er lässt mir nicht mal den Hauch einer Chance zu antworten. »Bah, gedacht. Von Denken in deinem Zusammenhang zu sprechen, verbietet sich nach dieser krankhaften Aktion ja geradezu. Ich könnte dir sofort das Sorgerecht entziehen lassen, jeder Richter der Welt wäre auf meiner Seite.« Er schnaubt. »Und jede Richterin auf meiner«, gebe ich kurz zu bedenken, aber er blubbert schon weiter. Muss ich mir das hier jetzt antun? Nein, beschließe ich und schnappe mir Claudias Tasche. Den Restkram, der im Zimmer verstreut rumfliegt, wird Christoph schon mitbringen. »Wiedersehen und Frau Trundel schönen Dank auch, sehr nett von Ihnen, Sie haben einen Wunsch frei«, verabschiede ich mich von dem entgeisterten Publikum. Beim Rausgehen merke ich, dass hinter mir noch etwa zwei Drittel der gesamten Kanzlei gestanden haben, um den herrlichen Auftritt nur ja nicht zu verpassen. Immerhin, mich kennt hier jetzt jeder. »Autogramme gibt es beim nächsten Mal«, rufe ich der Meute mutig zu, und weg bin ich.
Christoph braucht lange, um sich zu erholen. Abends schweigt er. Beleidigt. Der kann wirklich erstklassig beleidigt
sein. Kein Wort kommt über seine Lippen. Jedenfalls keins, das an mich gerichtet ist. Botschaften für mich richtet er an seine Tochter. »Du arme Maus, deine Mutter ist leider wahnsinnig, und dein Vater kann demnächst gleich mit einem Arschloch-Schild auf dem Kopf ins Büro gehen. Weichei, Frauengehorcher und Versager sind wahrscheinlich noch die harmlosesten Sachen, die meine Kollegen über mich sagen. Ach, Maus, was hast du bloß für eine Mutter, die dich einfach so aussetzt. Nur
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