Frisch gemacht!
Gepäck sieht, ist es mit seiner sofort vorbei. Prompt geht das Gemecker los. »Früher bin ich mit einem kleinen Rucksack vier Wochen quer durch Europa, und jetzt reisen wir für zwei Wochen Pauschalurlaub mit mindestens zwanzig Kilo Übergewicht an. Personen nicht eingerechnet.« Eine dreiste Bemerkung und ganz klar auf mich gemünzt. Liebenswert. Wo ich mir sowieso einen Riesenkopf mache, wie ich meine Pfunde am Strand am besten tarne. Der Sommer und besonders die Badezeit sind für Moppel meiner Preisklasse nicht besonders verlockend. Egal – ich bin eine Mutter, und das darf man ruhig sehen, rede ich mir gut zu. Nach einer Geburt sieht man eben nicht mehr aus wie vor einer Geburt. Oder
man hat eine immense Disziplin. Macht Sit-ups bis zum Umfallen, kasteit sich monatelang oder hat einen super Stoffwechsel. Ich hasse Sit-ups, kasteie mich ungern, und mit meiner Disziplin ist es nicht arg weit her. Mit meinem Stoffwechsel anscheinend auch nicht. Das ist die unschöne Wahrheit, und die kommt jetzt im Badeanzug ans Licht. Wenn ich schon nicht zur Miss Badeanzug gewählt werde, will ich wenigstens abends was hermachen. Deshalb habe ich eigentlich alles Sommerliche, was mein Kleiderschrank hergibt, rausgekramt. Dazu sechs Paar Schuhe. Christoph findet das bekloppt. »Wir fahren in den Urlaub, es ist kein Modewettbewerb, was willst du denn mit sechs Paar Schuhen im Urlaub? Ich muss den Scheiß doch schleppen.« Als würden wir nach Spanien laufen. Seine Leistung beschränkt sich letztlich doch darauf, den Koffer vom Flughafenband auf den kleinen Wagen zu heben und vom Wagen in den Bus. Vielleicht noch zehn Meter vom Bus zum Hotel. Großzügig geschätzt. Und da jammert der rum, als müsste er den Koffer ganztags mit sich rumtragen. Ätzend.
Außerdem: Es gibt Dinge, die Männer nicht verstehen. Die dunkelblauen Sandalen gehen eben nicht zum schwarzen Leinenanzug. Und die Pumps zu den Caprihosen wären ja echt ein Fall für die Stilpolizei. Ich schaffe es nicht, wie in Frauenzeitschriften oft propagiert, nur einen Farbton und dazu drei aufeinander abgestimmte Teilchen für obenrum mitzunehmen. Auch wenn Christoph noch so lästert: Ich lasse nicht mit mir handeln. Auch dass die meisten Deutschen nur mit zwei Adidas-T-Shirts, einer fallschirmseidigen Turnhose und einer knalleroten Ferrarikappe in den Urlaub düsen, überzeugt mich nicht. Es muss
mich ja keiner schon auf zweihundert Meter Entfernung als Deutsche erkennen können. Im Gegenteil. Ich finde es schick, als Einheimische durchzugehen. Das hebt mein Ego. Die Südländer können sich auch wirklich besser anziehen als wir. Das muss der Neid ihnen lassen. Allein die Kinder. Immer adrett dunkelblau-weiß und die Mädchen mit niedlichen Kleidern und farblich passenden Schlüppchen im Haar. Das scheint bei denen genetisch zu sein mit dem guten Geschmack. Christoph hat schnell gepackt. Das Wichtigste für ihn – sein Discman und zenterweise CDs. »Es gibt doch nichts Schöneres, als aufs Meer zu schauen und dabei gute Jazzmusik zu hören«, sein Argument. Aufs Meer schauen und Jazzmusik hören – mit einer Eineinhalbjährigen im Gepäck. Ich will seine Illusionen nicht schon im Vorfeld zerstören. Soll er doch seine CDs einpacken.
Der Horror beginnt im Flieger. Kleinkinder kosten zwar im Flugzeug nichts, aber dafür haben sie auch keinen Anspruch auf einen Sitzplatz. Das bedeutet, man hat sein Kind für drei lange Stunden auf dem Schoß. Bei aller Liebe, keine wirklich angenehme Art zu reisen. Vor allem, weil kein normales anderthalbjähriges Kind gerne drei Stunden brav und still auf irgendeinem Schoß sitzt. Meins jedenfalls nicht. Wir sitzen in einer Dreierreihe. Ich habe den Mittelplatz. Schon im Krankenhaus nach der Entbindung lag ich im Dreierzimmer in der Mitte. Ich scheine auf Mitte abonniert zu sein. Rechts von mir Christoph, der wegen seiner langen Beine nur am Gang sitzen kann. Alles andere grenzt an Folter, ist unzumutbar. Bevor der drei Stunden nörgelt, quetsche ich mich in die Mitte. Ist ja nur für den Flug. Auf dem Rückflug darf ich den Gangplatz haben, das ist abgemacht.
Links von mir ein unfreundlicher Mensch, der noch dazu etwa 170 Kilo wiegt. »Ich dachte, Günther Strack ist tot«, flüstere ich Christoph kurz nach dem Start zu; aber er kapiert die Bemerkung nicht. »Wie kommst du denn jetzt auf Günther Strack?«, fragt er mich laut zurück. Der Typ neben mir ist anscheinend weniger begriffsstutzig und guckt mich voll beleidigt an. Ein
Weitere Kostenlose Bücher