Frisch gemacht!
mir verbeißt.« Frau Ilscher und Frau Schulze kommen also nicht infrage.
Die Dritte ist Frau Köhner. Mittlerweile bin ich schon etwas skeptisch. Aber Frau Köhner ist nett. Sie wohnt am Stadtrand in einem hübschen Reihenhäuschen. Hell, viel Holz und sogar mit Gärtchen. Und jung ist Frau Köhner. Ende zwanzig. Ich bin begeistert. Sie hat ein extra Spielzimmer für die Kleinen und ist die erste der Tagesmütter,
die sich auch für Claudia interessiert. Die anderen haben das Kind auf meinem Arm kaum eines Blickes gewürdigt. Taktisch nicht sehr klug. Frau Köhner nimmt Claudia direkt auf ihren Arm und betrachtet sie ausgiebig. Claudia guckt skeptisch zurück. Begeistert sieht sie nicht aus. Aber man muss sich ja auch aneinander gewöhnen. »Neigt sie zu Aggressionen?«, fragt mich Frau Köhner. Zu Aggressionen? Ein Kind in dem Alter? Nur weil sie Frau Köhner nicht gleich anstrahlt. »Sie brüllt ab und zu, aber als Aggression würde ich das nicht bezeichnen«, gebe ich leicht irritiert zurück. »Da sollte man extrem auf der Hut sein«, mahnt Frau Köhner mit besorgter Miene. »Aber kein Problem, ich habe homöopathische Mittel, um das in den Griff zu bekommen. Drei bis fünf Kügelchen, und die Kleine ist das los. Das ist enorm, was die Kügelchen bewirken.« Kügelchen gegen Aggression? Bei einem Säugling? »Also, Medikamente gebe ich meiner Tochter eigentlich lieber selbst. Wenn überhaupt«, werde ich langsam ein wenig strenger. Ich glaube, die spinnt. »Ich mache alles mit Kügelchen, Globuli«, teilt sie mir mit, »da erwarte ich schon, dass mir die Mütter freie Hand lassen.« Das hier riecht nach Streit. »Meiner Tochter geht es prima. Die braucht keine Kügelchen. Sie ist gesund.« Ich werde langsam wütend. Claudia beginnt zu weinen. »Gesund«, bemerkt Frau Köhner konsterniert, »würde ein gesundes Kind jetzt so schreien? Aus heiterem Himmel? Lässt das nicht Rückschlüsse zu? Auf tiefere Probleme?« Also als Schreien würde ich das nicht bezeichnen. Sie weint. Wahrscheinlich, weil wir laut und unfreundlich klingen. Am liebsten würde ich auch weinen. Weil das hier erst so toll aussah und mich jetzt so verstört. Frau Köhner sieht nett aus, ihr Haus ist schön, aber sie hat
’ne Meise. Was nützt der hübscheste Garten und das gepflegteste Haus, wenn die Betreuerin einen Schatten hat. Wir verabschieden uns. Alles hat Grenzen. »Nehmen Sie Ihre Kügelchen selbst, meine Tochter braucht keine«, sage ich und mache die Flatter. »Sie werden sehen, wie das endet«, ruft mir Frau Köhner hinterher und knallt die Tür zu. Wer da mal ein paar Kügelchen braucht, ist keine Frage. Ich habe nichts gegen Homöopathie, aber die prophylaktische Gabe von dubiosen Kügelchen gegen angebliche Aggressionen geht mir dann doch zu weit.
Auf noch mehr Tagesmütterbesichtigungen habe ich danach keine Lust mehr. Auch wenn es sicherlich ausgesprochen nette und patente gibt. Drei sind genug für mich.
Ich bin froh, dass Claudia beim Zwergenaufstand untergekommen ist. Auch wenn Kochen und Elternabende nerven. Dafür ist das Personal geschult, Fachpersonal eben, und die Räumlichkeiten sind schön. Wir kommen gut klar, der Zwergenaufstand und ich. Selbst mein Christoph ist zufrieden. »Claudia fühlt sich wohl, das ist wohl das Einzige, das zählt«, findet er, und ausnahmsweise kann ich ihm fast zustimmen.
Das einzige Problem sind die Ferien. Auch eine Kinderkrippe hat mal zu. Urlaub. Vier Wochen lang. Jeden Sommer. Dummerweise hat nur die Krippe vier Wochen Ferien. Für Christoph und mich sind drei Wochen am Stück das Äußerste. Mehr geht einfach nicht. Unsere Sendung hat keine Sommerpause, und der Herr Anwalt, auf dem langen, steinigen Weg zum Partner, darf sich rein theoretisch nie eine Pause erlauben. »Meine Eltern können sich kümmern«,
beschließt Christoph und verfügt über seine Eltern wie über einen gewöhnlichen Gegenstand seines Besitzes. Verdrängt hat er die Tatsache, dass auch seine Eltern jeden Sommer wegfahren. Mit dem Wohnmobil. Richtung Süden. Seit sie pensioniert sind, sechs Wochen lang. »Mer nehme des Butzelscher mit«, begeistert sich Inge. »Was en Spaß, die Klaane un mir am Strand. Herrlisch. Was gibt des en Vergnüsche.« Sechs Wochen ohne Claudia? Das schaffe ich nicht. Obwohl Inge und Rudi sogar anbieten, ihren Urlaub zu unterbrechen und Claudia hier abzuholen. »Was soll’s«, meint Rudi, »für die klaa Grot fahr ich aach noch ema über die Alpe un retour. Über die
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