Frisch gemacht!
billig zu halten. Die Betonung liegt auf »manchmal«.
Christoph zieht seine Liege aus dem Schatten in die pralle Sonne. Noch im Flieger hat er mir Vorträge zum gesunden Umgang mit der Sonnenkraft gehalten, und jetzt röstet er, als gelte es, Karriere beim Wienerwald zu machen. Ich erlaube mir eine winzige Bemerkung: »Ich glaube, du bist schon durch«, aber er antwortet nur: »Meine Haut kenne ich am besten.« Jeder wie er meint. Schließlich ist Christoph erwachsen – oder tut jedenfalls seit Jahren so als ob.
Die Bekanntschaft mit seiner Haut scheint keine sehr intensive zu sein, denn abends sieht er aus wie Miss Piggy. Jedenfalls vom Teint her.
Er jammert, und ich trete noch nach: »Selbst schuld, ich habe dir doch gesagt, geh in den Schatten.« Nach dem Duschen schmiert er sich die halbe Flasche Aftersun auf seine malträtierte Haut und sieht aus wie ein glitschiger roter Feuerfisch. Für unser leidenschaftliches Abendprogramm sehe ich rot. Ich kann ihm kaum den Rücken einreiben, ohne dass er stöhnt, als würde ich ihm die Haut direkt abziehen. Man sollte Dinge, die sich anbieten, doch besser niemals aufschieben. Sex ohne Anfassen ist etwas, was erst noch erfunden werden muss.
Wir duschen auch Claudia. Sie hat den Sand wirklich überall. Und hätte ihn auch gerne behalten. Mit dem Duschen hat sie es weniger. Beim Haarewaschen kreischt sie wie ihr Vater beim Eincremen. Da habe ich ja zwei schöne Jammerlappen mit in den Ferien.
Trotzdem schaffen wir es, und pünktlich um sieben Uhr stehen wir in der Büfettschlange. Wir haben Halbpension gebucht. Morgens und abends essen langt mir im Urlaub. Oder besser gesagt, es muss langen. Faul am Strand liegen und dreimal täglich Wagenladungen in sich reinschaufeln, bekommt den schönsten Körpern nicht. Noch schlimmer ist All Inclusive. Rund um die Uhr essen, was das Herz begehrt. Eine wunderbare Vorstellung, aber nicht für meine Oberschenkel. Leider ist das, was mein Verstand sagt, nicht das, was mein Magen sagt. Ich muss mich zusammenreißen, um nicht an allen vorbei das Büfett zu stürmen. Nach dem Motto: ›Bitte machen Sie Platz, eine vollkommen ausgehungerte Jungmutter hat es nötiger als Sie.‹ Das war bei mir schon immer so. Ein bisschen Schwimmen macht mir einen Hunger, als hätte ich den Iron Man mitgemacht. Wir bekommen einen Tisch zugewiesen, und Claudia thront im Hochstuhl und patscht in ihren Nudeln rum. Christoph und ich essen, als könnte man den Pauschalpreis an einem Abend wettmachen. Es schmeckt herrlich. Vor allem, weil es andere gekocht haben. Und andere auch alles wieder abräumen. Christoph hat eine Gesichtsfarbe, dass das Hotel die Deckenbeleuchtung locker ausdrehen könnte. Mein lebendes Glühwürmchen hat genug Leuchtkraft, um den Saal komplett zu erhellen. Dafür, dass es ihm so schlecht geht, isst er ordentlich. Wer so essen kann, wird überleben, tröste ich mich. Es ist aber auch irre gut.
Trotzdem: Büfett ist eine heikle Angelegenheit. Alles ruft: »Komm und iss mich. Bitte, bitte nimm mich mit auf deinen Teller.« Und der Gedanke, etwas, was so appetitlich aussieht, liegen zu lassen und dann vielleicht am nächsten Abend nicht mehr zu finden, ist abscheulich. Christoph
und ich enttäuschen das Büfett nicht. Wir probieren alles, was irgendwie unterzubringen ist. Bei den Mengen an Fisch, die ich vertilge, hätte jeder Aquarianer viel Freude an einer großen Bauch- OP bei mir. Allerdings nur, wenn er an Crème Caramel, diversen Eissorten und Obstsalat vorbeikäme. Was die Kellner über uns denken, will ich zwar nicht wissen, kann ich mir aber denken: »Gibt’s bei denen daheim nichts, kommen die aus einem Entwicklungsland? Ist das die erste warme Mahlzeit seit Jahren?« Schließlich sind sie Zeugen unserer Vertilgungswut. Still und freundlich räumen sie Teller um Teller ab und bringen ständig neues Besteck. Christoph kann mein latent vorhandenes Schamgefühl nicht verstehen. »Glaubst du, wir sind die Ersten, die sich so aufführen?«, fragt er mich entgeistert. Wahrscheinlich nicht, aber ob es das besser macht, dass wir wie die Durchschnittstouristen reinhauen, als gäbe es am nächsten Tag nichts mehr, glaube ich nicht.
Würde man uns nach diesem Abendessen entführen, was ehrlich gesagt natürlich nicht besonders wahrscheinlich ist, wenn aber, dann hätten wir immerhin kalorienmäßig vorgesorgt. Wir fallen völlig erschöpft in einen komatösen Erstnachtschlaf. Ich bin froh, dass das Zimmer Klimaanlage hat, mein
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