Frisch gemacht!
Gäste, die bei der Generalprobe meist noch nicht da sind, eine Art Dummy. Diesmal darf ich den Stargast mimen. Anett Mock sein. »Lichtdouble« heißt der Ersatzgast in der Fachsprache. Jeder Fleck im Studio wird ausgeleuchtet, jede Kameraposition festgelegt. Weil Will sich nur schwer merken kann, wo er stehen muss, werden auf den Boden kleine Zeichen gemacht. Aus Klebeband. Wenn Will dann genau da steht, ist das Licht am günstigsten. Wie er mit seiner dunklen Sonnenbrille die winzigen Klebehinweise sehen will, ist mir schleierhaft. Ich bespreche das gleich mit Sandra. »Der muss heute seine Brille lüften, sonst sieht der doch nix bei der Probe«, lästere ich los. Sandra nickt. »Ich bin gespannt, wie die gelifteten Lider aussehen«, sagt sie. Ich auch. Weil
Will ja unter ziemlichen Schlupflidern leidet. »Sind die Schlupflider dann so ganz komplett weg?«, frage ich Sandra. »Keine Ahnung, ich habe keine, und geliftet bin ich auch nicht, aber wenn es gut läuft, kann er dann sogar schön Lidschatten auftragen«, antwortet sie. Wir kichern uns einen ab. Schlupflider und Lidschatten sind nicht kompatibel. Zu seiner Ehrenrettung muss ich allerdings zugeben, dass Will zwar ein wirklich eitler Sack ist, aber Lidschatten würde wahrscheinlich nicht mal er benutzen. Sandra ist sich nicht so sicher: »Warten wir es ab. Vielleicht kein Blau oder Grün, aber so was Beiges würde ich ihm schon zutrauen.« »Was macht eigentlich dein höchstpersönlicher Praktikant?«, will ich noch schnell wissen. Sie verzieht das Gesicht. Begeistert. Leckt sich über die Lippen. »Oskar, also Oskar ist der«, weiter kommt sie nicht, denn Giselle steht im Zimmer. »Was ist mit deinem Oskarchen?«, neckt sie Sandra. »Wieso mein Oskar?«, antwortet die pikiert und kriegt eine knallrote Birne. »Mein Oskar, dein Oskar, vielleicht ist Oskar ja für uns alle da«, sinniert Giselle mit fiesem Grinsen. »Vielleicht guckst du mit deinen doofen Sprüchen auch nur zu viel Werbung«, lässt sich Sandra auf den zu erwartenden Schlagabtausch ein. »Mag sein«, antwortet Giselle, »obwohl doch ihr Ossis so gerne Werbung guckt. Hast du dich eigentlich schon an die Vielzahl der Produkte gewöhnt?« Jetzt wird sie aber richtig gehässig. Aber Sandra wehrt sich: »Danke Giselle, es geht schon recht gut. Ich bekomme nur noch selten Schaum vorm Mund, und außerdem, momentan habe ich viel Besseres zu tun, als Fernsehen zu glotzen.« Mit viel sagendem Grinsen auf dem Gesicht verlässt sie den Raum. Sie ist nicht mal beleidigt. Hat anscheinend zurzeit ein dickes
Fell. Normalerweise findet sie diese Ossi-Scheiße nach all den Jahren der Wiedervereinigung total bescheuert. Heute ist sie geradezu lässig darüber hinweggegangen. »Läuft da was mit ihr und Oskar?«, fragt mich Giselle. »Keine Ahnung«, antworte ich, und es stimmt ja auch. Ich weiß es tatsächlich nicht. Giselles Auftritt hat mich um die Oskar-Neuigkeiten gebracht. Na, das kriege ich heute schon noch raus. Sie ahnt meine Gedanken. »Sag’s mir, wenn du was weißt«, zischt sie, »sonst hol ich ihn mir.« Sie »holt« ihn sich. Als wäre er ein halber Liter Vollmilch im Supermarktregal. Das muss Sandra sofort erfahren.
Erst mal ist aber Probe, und Sandra und ich haben keine Zeit für einen gemütlichen Neuigkeitenaustausch. Will hat wirklich die Sonnenbrille abgelegt. Aber nur, um das Modell zu tauschen. Jetzt trägt er ein Gucci-Teil. Grün getönt. Nicht ganz so dunkel wie sein Chanel-Brillchen, aber doch zu dunkel, um was zu erkennen. Mist. Morgen, mein Lieber, bist du reif, die Sendung kannst du wohl kaum mit Brille moderieren. Und außerdem gibt’s ja noch die Maske. Die petzen eh mal gern, denke ich mir und freue mich schon. »Kann ich mitlachen?«, fragt er, als ich still vor mich hin griene. »Nee, nee, ich hab nur an meine Tochter gedacht«, lüge ich gekonnt. Beim Thema Tochter fragt der bestimmt nicht nach. Und so ist es auch. Er grummelt ein: »Aha. So, so.« Und das war’s dann auch.
»Alle auf die Plätze«, ruft der Regisseur ins Studio, und Will versteckt sich hinter einem Vorhang. Der geht nach der Eröffnungsmelodie auf, und Will läuft ganz klassisch die Showtreppe runter. In Kunstnebel gehüllt. Der Nebel ist was Ekliges. Man muss furchtbar husten davon. Aber
Will mag Nebel. Und in den Köpfen unserer Programmverantwortlichen gehören Showtreppe und Nebel zu einer Unterhaltungssendung wie Apfelwein zur Grünen Sauce. Dass wir damit nicht mehr ganz im Trend liegen,
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