Frisch gemacht!
kratzt hier keinen. Warum auch? In unserem Sender herrscht die Devise: ›Das haben wir immer schon so gemacht – und das machen wir auch weiter so.‹ Vermeintlich Bewährtes wird wahrscheinlich bis zum Abschalten der Frequenzen – und des Intendanten – beibehalten.
»In einer Minute starten wir mit der Probe, bitte jetzt auf die Plätze, meine Lieben«, ruft der Regisseur, wie immer in charmantestem Tonfall. Unser Regisseur ist der bekannte Lutz Haster. Wurde mir gleich zu Beginn im Sender erzählt. »Stell dir vor, Lutz Haster macht für uns Regie.« In einem Tonfall, als müsse man dafür dem Herrgott wirklich dankbar sein. »Macht er es umsonst?«, habe ich erstaunt gefragt. »Hä, wieso denn das?«, kam es zurück. In Branchenkreisen einfach jedem bekannt. Sehr interessant, ich habe, bevor ich bei RMRT angefangen habe, im Leben nichts von Lutz Haster gehört. Was mein Leben nicht sehr beeinträchtigt hat. Lutz Haster ist ein älterer Mann um die fünfundfünfzig, der sehr gut aussieht und das auch sehr genau weiß. Schade, so ist es bei vielen Männern. Wenn sie mal gut aussehen, sind sie oft so von sich eingenommen und dermaßen eitel, dass sie fürs tägliche Leben leider nicht geeignet sind. Bitte gerne angucken, ausprobieren, aber nicht mit nach Hause nehmen. Das habe ich früh kapiert. Dieser Typ Mann macht, jedenfalls auf lange Sicht, und langzeitorientiert sind wir Frauen ja nun mal häufig, mehr Ärger, als man braucht. Lutz Haster ist einer von der
Sorte. Schäkert rum wie ein brünftiger Rüde, wenn es dann aber ernster wird, er die Beute flachgelegt hat, ist er von der Bildfläche verschwunden. Aber erstaunlicherweise ist keine der Verflossenen ihm deshalb ernstlich böse. Er macht es auf die ganz raffinierte Tour. Lisa, seine Regieassistentin, hat es mir erzählt. »Du, der Lutz hat enorme Bindungsängste. Der kann mit keiner Frau eine richtige Beziehung eingehen. Das hat mit seiner Kindheit zu tun. Die Mutter war so ’ne unzuverlässige Person. Die hat den mal abends allein gelassen. So was prägt Menschen. Und beim Lutz, der ist ja so sensibel, da ist das total ausgeprägt. Schade. Jammerschade. Er ist ein wunderbarer Mann.« Ein wunderbarer Mann. Sagt ausgerechnet die Frau, die er monatelang verarscht hat. »Weißt du, ich war wahrscheinlich auch zu fordernd. Habe ihm zu viel Druck gemacht. Da kann der nicht mit, der Lutz«, ergänzt sie noch voller Verständnis. Fehlt noch, dass sie sagt, er durfte dreimal kein Sandmännchen schauen. Das ist eine wahre Frauenspezialität. Entschuldigungen für mieses Männerverhalten suchen. Je länger solche Frauen überlegen, desto mehr kommen sie zur Erkenntnis, dass eigentlich sie selbst schuld sind. Nicht etwa der Kerl. Der kann ja nicht anders, weil die Frauen sich ja so unpassend verhalten haben. Männer wie Lutz kriegen so was schnell spitz und freuen sich. Schließlich können sie sich weiter fies benehmen und bekommen noch nicht mal Ärger dafür. So ist das mit Männern. Wenn eine Beziehung scheitert, fragen wir Frauen uns, was wohl schief gelaufen sein könnte, was wir falsch gemacht haben und woran wir dringend mal arbeiten müssen. Männer sind um Klassen pragmatischer. Sie lesen äußerst selten Ratgeberbücher à la »Mars und Venus« oder
»Jeder Fisch ist schön, wenn er an der Angel hängt«, sondern trösten sich mit Weisheiten wie: ›Wir passen halt nicht zusammen.‹ Diese Art des Umgangs ist zwar schlicht, schont aber ausgezeichnet das eigene Ego. Selbstzweifel mit anschließender Selbstzerfleischung im Detail, dazu neigen Männer einfach nicht. Manchmal kann man von ihnen durchaus was lernen.
Lutz Haster hat die Mannschaft im Griff. Will und ich stehen hinter dem Vorhang und warten auf das Startzeichen. Und schon läuft sie, unsere Eröffnungsmelodie. Es gibt böse Zungen, die behaupten, die Melodie wäre das Witzigste und Beste der Sendung, aber davon abgesehen ist es wirklich eine schöne Melodie. Beim Schlagzeugtusch am Ende tritt Will auf die Bühne. Gemächlich schlendert er die Showtreppe hinunter. Er genießt diese Minuten. Das Publikum klatscht. Auch das karge Publikum, das jetzt zur Probe versammelt ist. Dirigiert werden sie vom Aufnahmeleiter. Zuschauer in Fernsehstudios werden genau angeleitet. Da passiert nichts zufällig. Der Aufnahmeleiter ist die Person im Fernsehstudio, die dafür sorgt, dass alles läuft. Er gibt Zeitzeichen: »Noch drei Minuten, noch zwei, noch eine, Schluss.« So kann der Moderator
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