Frisch gemacht!
Aufgedunsen. Vielleicht ist es das Prämenstruelle. Da wiegt man ja angeblich immer mehr. Wo meine Tage nur bleiben? Andererseits, wirklich zuverlässig sind sie nie gewesen. Was ich auf die schon gewartet habe. Wenn ich mir da jedes Mal einen Kopf gemacht hätte. Sollte sich bis nächste Woche nichts getan haben, gehe ich zum Arzt. Vielleicht habe ich ein Magengeschwür, eine Zyste oder andere Scheußlichkeiten. Ich neige, was Krankheiten angeht, zum Dramatisieren. Nicht, dass ich eine Hypochonderin wäre, aber dennoch. Es fällt mir schwer zu denken, ich könnte einfach nur so was Schnödes wie Blähungen haben. Da bricht selbst bei Krankheiten mein Hang zum Höheren durch. Bekloppt. Tim ruft an. Der Herr Redaktionsleiter persönlich. »Andrea, sei so gut und besorge noch zwei aufwändige Sträuße für die Mock und ihre Agentin. Richtig großartige Gebinde. Was Stilvolles. Und bring sie mit zur Sendung.« Das ist ja eine Überraschung, dass ich die Sträuße dann tatsächlich mitbringen soll. Ich hätte doch glatt angenommen, die Mock holt sie hier bei mir zu Hause ab. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Tim mich für minderbemittelt hält. Schön ist das nicht. Aber schließlich ist er der Redaktionsleiter, und ich sage erwartungsgemäß: »Na klar. Wird gemacht.« Obwohl er sich auch keinen abbrechen würde, wenn er selbst die Blumensträuße kaufte. Gäste haben wirklich einen flotten Lenz. Machen Reklame für ihre CDs,
Bücher oder Sendungen, bekommen dafür noch ein Honorar, die schönsten Hotelzimmer und obendrauf noch dicke, fette Blumensträuße. Im nächsten Leben werde ich Gast.
Um 14 Uhr bin ich im Sender. Pünktlich mit Obstkorb, dem abgeholten Sushi, das ein Heidengeld gekostet hat, und zwei gigantischen Sträußen. Als Erstes dekoriere ich die Garderobe von Anett Mock. Aus einem kargen Raum mit Liege, Beistelltisch, Waschbecken und Sessel ein behagliches Gästezimmer zu zaubern, ist nicht ganz leicht. Ich schneide das Obst mundgerecht, die Gnädigste soll sich ja die schönen Fingerchen nicht beschmutzen, drapiere die diversen Getränke und deponiere das Sushi im Kühlschrank. Die Blumen bleiben in der Redaktion, die will der große Moderator höchstpersönlich überreichen. Da ist er auch schon. Will. Wie immer vor der Sendung meganervös. Obwohl er seit Jahren moderiert, hat man jedes Mal das Gefühl, es wäre das erste Mal. Er braucht Woche für Woche Zuspruch wie ein krankes Pferd. »Will, du schaffst es, es wird eine phantastische Sendung werden«, leiste ich meinen Teil der Spezialtherapie. »Ich habe heute ein komisches Gefühl, tief drinnen in mir sagt eine Stimme ›Achtung‹«, antwortet er. Ich unterdrücke ein »wie immer« und tätschle ihm ein wenig die Schulter. Er hat tatsächlich seine Sonnenbrille auf. »Ist deine Bindehautentzündung noch immer nicht geheilt?«, frage ich scheinheilig. »Bis heute Abend wird es schon werden«, ist seine merkwürdige Antwort. Ich muss unbedingt dran denken, bei der Maske vorbeizuschauen, um Detailinformationen einzuholen. »Stell dir vor«, flüstert er mir noch zu, »es gibt anscheinend Gerüchte, ich hätte mir die Augen richten lassen.« Ich tue erstaunt.
»Nein wirklich, das ist ja der Hammer. Und hast du denn?« »Sag mal, spinnst du?«, motzt er mich frontal an, »wieso sollte ich? Findest du, ich müsste mir die Augen richten lassen?«, wird er dann doch etwas unsicher. »Ja also, das kommt drauf an«, rede ich mich raus. Plump zu lügen und zu sagen: »Nee, wieso denn auch«, das bringe ich dann doch nicht fertig. »Was heißt, es kommt darauf an, Andrea?«, fragt er nach. Jetzt will er es aber wissen. Als ich überlege, wie ich mich am elegantesten aus der Affäre ziehe, kommt mir Sandra zur Hilfe: »Andrea, ich brauche dich mal hier drüben, kannst du bitte eben mal kommen?« Das war jetzt verdammt knapp. Aber geschafft. Will zieht von dannen, und endlich habe ich Sandra. »So, meine Beste, schönen Dank für die Rettung in letzter Sekunde, aber jetzt raus mit der Sprache«, beharre ich auf Information. »Na ja«, sagt sie, »du hast Recht. Oskar und ich sind zusammen.«
Sandra hat also tatsächlich den Praktikanten vernascht. Bauchmuskelintensivbetrachtung. »Er ist so anders als ältere Männer«, schwärmt sie. »Wieso, singt er im Bett nicht Genesis oder Supertramp oder Pink Floyd, sondern Bro’Sis?«, will ich es genau wissen. Sie kichert. Kann gar nicht mehr aufhören: »Ach, Andrea, hätte ich geahnt, was junge Typen
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