Frisch gemacht!
vor uns wegläuft.« Sie hat ja Recht. Aber erst mal frühstücke ich ein schönes Nutellabrötchen. Nutella ist gut fürs Gemüt. Andere Nuss-Nougat-Cremes mag ich nicht. Christoph und Claudia waren schon beim Bäcker. Sehr lobenswert. Mit dem Brötchen im Bauch sieht der Tag nicht übel aus.
Ich besorge beim Gemüsehändler um die Ecke alles, was eine ordnungsgemäße Kohlsuppe braucht. Außerdem einen Korb Frischobst. Ich bin für die Verpflegung der Gäste zuständig. Bei anderen großen Sendern macht das eine extra Gästebetreuerin. Solch profane Posten werden bei uns eingespart. Deshalb bin ich für Frau Mocks Wohl verantwortlich. Jeder Stargast bekommt in seine Garderobe kleine Häppchen und diverse Getränke. Die Stars sollen bis zur Sendung auf jeden Fall bei Laune gehalten werden.
Auch dafür, dass die Mock und ihre Agentin vom Flughafen abgeholt und nach der Sendung ins Hotel gefahren werden, bin ich zuständig. Christoph findet nicht, dass das in meinen Aufgabenbereich fällt. »Du bist ja deren Mädchen für alles«, nörgelt er gerne. »Mädchen für alles« hört sich entsetzlich an. Tim, der Redaktionsleiter, bezeichnet mich als »Gute Seele des Ganzen«, und ich finde, das klingt viel freundlicher. Weniger Arbeit ist es aber dennoch nicht. Egal, wie man es nennt. Jetzt fehlt nur noch das Sushi, das Kerstin Tritsch, die Mock-Agentin, für die Garderobe geordert hat. Das hole ich erst kurz vor Dienstbeginn. Sushi, das länger rumsteht, sammelt zu viel Keime. Nicht, dass die Mock noch kurz vor der Sendung stirbt oder eine Lebensmittelvergiftung bekommt. Das können wir uns heute wirklich nicht leisten. So eine dürre Ziege hat zu wenig Widerstandskräfte, um gammeliges Sushi zu überstehen.
Christoph und Claudia gehen in den Zoo. Wie schön. »Wir machen einen Ganztagsausflug«, freut sich Christoph und packt sogar einen kleinen Rucksack mit Proviant. Erst als die beiden abgezogen sind, merke ich, dass er fast das komplette Mock-Obst mitgenommen hat. Auch die teuren Himbeeren. Jetzt kann ich noch mal losziehen. Und vor allem noch mal bezahlen.
Na ja, ist ja eigentlich gut, wenn das Kind ordentlich Obst isst. Hauptsache, die beiden sind weg. Jetzt gehe ich erst mal gemütlich in die Badewanne. Am Sendungstag habe ich gewisse Rituale. Vor allem genieße ich meine freie Zeit. Zeit nur für mich. Seit ich Mutter bin, weiß ich das besonders zu schätzen. Für Nichtmütter ist das was ganz
Normales. Die haben immer Zeit für sich und können gar nicht verstehen, wie wertvoll diese Zeit ist. Wie man es genießen kann, nur einen Nachmittag niemandem den Po abzuputzen, nicht siebzehnmal was zu trinken einzuschenken, Äpfelchen zu schneiden oder die immer gleiche Geschichte vorzulesen. Sich ohne Unterbrechung die Fingernägel zu lackieren oder auch nur einfach auf der Couch abzuhängen ist etwas Herrliches. Zu wissen, es kann niemand kommen und irgendetwas wollen. Dementsprechend schön ist mein Vormittag. Ich liege im Schaumbad, enthaare mir die Beine und creme meinen Luxuskörper dann mit meiner besten Creme ein. Wundervoll. Um 13 Uhr ruft Sandra an. Erinnert mich an die Kohlsuppe. Ich bin froh, dass ich aus reinstem Gewissen sagen kann, dass ich dran gedacht habe. »Was ist jetzt eigentlich mit Oskar?«, nutze ich die Chance, sie ungestört zu sprechen. »Alles prima«, flötet sie. »Ein paar mehr Details würden mir schon Spaß machen«, versuche ich, sie aus der Reserve zu locken. Die ist doch sonst nicht so kurz angebunden. Da höre ich was im Hintergrund. »Ist er bei dir?«, ahne ich die kleine Sensation. »Genau«, sagt sie, und: »später mehr.« So ein Mist. So eine günstige Tratsch-Gelegenheit verstreicht ungenützt. »Wir sehen uns im Sender«, verabschiedet sie sich, »ich hab noch einiges vor bis dahin.« Na, das klingt ja viel versprechend. Noch einiges vor. Nachher entwischt die mir auf keinen Fall.
Zu meinem Ritual am Samstag gehört auch das wöchentliche Wiegen. Ich versuche mich nur einmal die Woche dieser seelischen Belastung auszusetzen, nicht zuletzt, weil ich das in diversen Diät- und Fitness-Büchern gelesen habe.
»Wiegen Sie sich nur nicht zu oft, das ist demotivierend.« Leider ist es auch so schon demotivierend. Trotz Kohlsuppe, wenn auch nicht allzu konsequent, wiege ich 900 Gramm mehr als vergangenen Samstag. Fair ist das nicht. Hätte ich bloß das Nutellabrötchen gelassen. Aber ein Nutellabrötchen kann es ja nicht sein. Ich fühle mich auch so gebläht.
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