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Frisch gepresst: Roman (German Edition)

Frisch gepresst: Roman (German Edition)

Titel: Frisch gepresst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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ist. Wie frisch vom Rost. Das Grillhähnchen wirft einen mitleidigen Blick auf meine Fingernägel: »Wenn Sie mal kommen wollen, mach ich Ihnen einen Freundschaftspreis.« Was sagt man auf so ein Angebot? Die Wahrheit? Ich hasse Kunstnägel, und es fällt mir nicht im Traum ein, meine so geschmacklos zurechtzumachen wie ihre. Wäre doch gemein. Und ist unnötig. Ich werde diese Frau sehr wahrscheinlich niemals wiedersehen. Warum sollte ich sie kränken? Ich halte nichts von der Wahrheit um jeden Preis. Diese Frau ist so verliebt in ihre eigenen Fingernägel, warum ihr diesen Quell der Begeisterung vermiesen? Außerdem hat sie mir ja nichts getan. Mit einem »Mal sehen, wenn ich mal Zeit habe, schaue ich vielleicht mal vorbei« rede ich mich heraus. Grillhähnchen ist mit der Antwort zufrieden. Sie insistiert nicht. Still paffen wir vor uns hin. Mit dem Blick zum Nachthimmel hinauf. Wie zwei alte Nachbarinnen, die sich schon Jahre kennen und nichts schöner finden, als gemeinsam auf einen Hinterhof zu starren. Ein richtig romantischer Moment. Nur die Kissen zum Armaufstützen fehlen. Hätten die Idylle perfekt gemacht. Grillhähnchen ist eine angenehme Gesellschafterin. Keine Schnatterliese. Wir genießen die Ruhe, bis uns das abrupte Türöffnen aus unseren gemütlichen Betrachtungen rausreißt. Schwester Christel steht erzürnt vor uns. Die Hände in die Seiten gestemmt und aufgepumpt wie ein kleiner tollwütiger Pudel: »Ach hier stecken Sie, Frau Farfalle, und da draußen schreit sich Ihr Kevin Luigi das Seelchen aus dem Hals. Unglaublich! Denken Sie, ich habe Zeit und Lust, hier bei jeder Mutter erst mal Suchen zu spielen? Wo kämen wir denn da hin. Und Rauchen ist hier strengstens verboten. Das dürfte Ihnen ja wohl bekannt sein.« Das Grillhähnchen, das Frau Farfalle heißt, scheint ungerührt. Cool. Keine Entschuldigung und offensichtlich noch nicht mal ein schlechtes Gewissen. »Der Kevin kann ruhig mal warten, ich habe schließlich 9 Monate mit der Warterei auf ihn verbracht. Und wenn Sie nachts die Station abschließen und ich nicht ins Raucherzimmer kann, muß ich halt hier rauchen. Wenn ich nicht rauche, kriege ich meine Figur nie wieder. Ich kann mich nicht unter einem Kittel verstecken. Ich bin schließlich selbständig. Mir gehört das Top Sun auf der Eschersheimer.« Schwester Christel verschlägt’s für einen Moment die Sprache. Ein günstiger Moment, um sich dezent zurückzuziehen. »Ich geh dann mal, gute Nacht allerseits«, und ab durch die Mitte. Bei Schwester Christel habe ich es jetzt eindeutig verschissen. Und das in meiner ersten Nacht hier. Fettnapf, wo bist du, ich komme!
    Den Besuch im Schwesternzimmer kann ich für heute nacht abhaken. Viel bleibt an Ausflugsmöglichkeiten hier auf der Station nicht mehr. Das Animationsprogramm läßt eindeutig zu wünschen übrig. Hormonell aufgeputscht und emotional erregt, wie wir Jungmütter sind, wäre ein netter Meetingraum doch das mindeste. Aber was nicht ist, ist halt nicht. Also, zurück ins Bett. Wie ein gerüffeltes Kind schleiche ich mich in mein Zimmer. Beim Rauchen auf dem Klo erwischt. »Huhu«, zischt es vom Waschbecken. Die Müller-Wurz ist auch wach. »Kannst du auch nicht schlafen«, überprüfe ich die Lage. »Ne, und du wirst auch gleich wissen, warum«, kommt es prompt und vielsagend zurück. Kaum hat sie geantwortet, höre ich es. Die Tratschner hat nicht nur Probleme mit ihrem Verdauungsapparat. Sie schnarcht auch noch. Nicht mal rhythmisch. Na prima. Das kann ja eine wunderbare Restnacht werden. »Das kommt alles vom Kaiserschnitt, so ein Eingriff ist letztlich wider die Natur. Der Körper haßt es und wehrt sich auf seine Art«, versucht Esoterik-Inge eine Erklärung. »So, so«, murmele ich und denke, daß Christophs Schnarchen nun wenigstens ein Gutes hat. Ich bin in dieser Hinsicht abgehärtet.
    Eine wirre Esoterik-Laienphilosophin und eine darmfixierte Schnarcherin: Im nächsten Leben oder beim nächsten Kind (das 100prozentig auch erst in meinem nächsten Leben zur Debatte steht) werde ich Privatpatientin, das ist sicher.
    Aber Inge hat was Einschläferndes. Immerhin. Ihre Stimme. Sanft und monoton. Sie lullt mich ein. Ich höre nur noch Wortfetzen. »Waldorfkindergarten, Antroposophen, anale Fixierung durch Töpfchenzwang, Mullwindeln.« Weg bin ich.
    »Frühstückszeit, die Damen«, ruft Schwester Hubertas laute Stimme in den Raum. Ich werde wach. Das bedeutet, ich habe tatsächlich geschlafen. Hunger habe ich auch.

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