Frisch gepresst: Roman (German Edition)
Abend mit der erschütternden Wahrheit konfrontieren. Detailgetreue Ehrlichkeit zu Beginn einer Affäre mag ja moralisch richtig sein, taktisch ist sie der letzte Quatsch. Keine begrüßt den Umschwärmten beim ersten Date mit den Worten: »Hallo, ich lese eigentlich nur Julia-Romane, hatte Milben in meinem Müsli, vorigen Sommer fiesen Fußpilz, den ich übrigens bis heute nicht los bin, und außerdem kann und will ich noch nicht mal eine Lasagne aufwärmen.« Das kommt einfach nicht an. Natürlich sollen sie uns nehmen, wie wir sind, aber es langt, wenn wir die Wahrheit in kleinen Dosen verabreichen. Wenn sie erst mal rasend verknallt sind, spielt auch ein nässender Fußpilz nicht mehr die Rolle. Wer das berechnend findet, verlogen und niederträchtig, hat sicher recht. Aber es funktioniert. Und ist das nicht das wichtigste? Na also.
Bei der ersten Einladung in die eigenen vier Wände muß man sich ein bißchen Zeit nehmen. Besonders bei einer Essenseinladung. Um Christoph, mein Objekt der Begierde, zu umgarnen, habe ich mit dem großen Wohnungscheck begonnen. Frauen, die in Müllhalden hausen, deren Wohnung wie ein verlauster Campingplatz nach den großen Ferien aussieht, gelten vielleicht als künstlerisch, chaotisch und kreativ, aber als Freundin will sie keiner. Ganz penibel aufgeräumte, nach Meister Proper und Domestos stinkende Wohnungen schrecken auch ab. Wirken anal. Verstört. Waschzwangmäßig. In solchen Wohnungen muß man normalerweise auch die Schuhe ausziehen. Und welcher Mann macht das schon gerne? Turnschuhträger hassen es. Weil sie fast immer Müffelfüße haben. Andere sorgen sich wegen ihrer Socken. Wenn man die Schuhe ausziehen muß, kommt sofort so ein Pantoffelgefühl auf. Und wer will am ersten Abend statt ungezähmter Leidenschaft Pantoffelgefühle? Die stellen sich bei den meisten Männern eh früh genug ein. Männer, die ihre Frauen nach siebenjähriger Partnerschaft noch voller Glut auf den Flokati ziehen, sind doch eher selten. Aber was soll’s, Flokatis sterben ja auch langsam, aber sicher aus.
Mit einem frischen Bänderriß eine Wohnung im mittleren Staubzustand auf Vordermann zu bringen ist kein Spaß. Ich humpele mich von Zimmer zu Zimmer. Mein Glück, daß ich gerade mal 2 davon habe. Wohnzimmer und Schlafzimmer. Ganz ausgefallen. Im Wohnzimmer ist die Lage nicht mal übel. Hier geht’s eigentlich fast immer. Schnell gestaubsaugt und ein bißchen umdekoriert. Die Zeitschriftenstapel (ich liebe Zeitschriften jeder Art, von Bunte bis Brigitte ) schnell umsortiert, Spiegel nach oben und die Cosmo mit dem ausgefüllten Psychotest »Wie wirke ich auf Männer« kommt in den Müll. Wenn Christoph mein, ehrlich gesagt, miserables Testergebnis sieht, ist der blitzartig vom Acker. So schnell kann ich gar nicht beweisen, daß ich an sich eine Riesenpartie bin. Ich entdecke eine alte »Spektrum der Wissenschaft«-Ausgabe. Wer die wohl bei mir liegengelassen hat? Ingo, Rüdiger oder war’s Lars mit dem Schuppenkopf? Egal. Zum Eindruckschinden allemal gut. Das Wohnzimmer wirkt schon passabel und vorzeigbar. Der Horror pur ist das Bad. Der Ascher auf dem Nachttisch muß selbstverständlich weg. Nur Primitivlinge rauchen im Bett. Primitivlinge und ich. Muß ich mir aber eh abgewöhnen. Soll irre gefährlich sein.
Dreckwäsche auf dem Fußboden und die Wanne könnte mal wieder gescheuert werden. Gut, daß es diese fiesen Sprayreiniger gibt, die zwar stinken, als wäre das Badezimmer eine Zweigstelle der Hoechst AG , aber dafür extrem praktisch für faule Zeitgenossen sind. Aufsprühen und abspülen. Im stillen schwöre ich, wenn es mit Christoph klappt, nur noch ökologisch wertvolle Essigreiniger zu benutzen. Aber jetzt, mit meinem Handicap Bänderriß, wird ein wenig Sprühreiniger ja mal erlaubt sein. Die Schmutzwäsche, ein Berg von gigantischem Ausmaß, stopfe ich in ein paar Plastiktüten. Bis in den Waschsalon schaffe ich es heute keinesfalls mehr. Eine Waschmaschine habe ich nicht. War mir anfangs zu teuer, und außerdem hört man doch immer so Wahnsinns-Geschichten über Waschsalons als Wundertreff für Flirts jeder Art. In der Werbung stehen schließlich die schnuckeligsten Typen in knackigen Jeans locker an irgendeine Waschtrommel gelehnt. Vielleicht gehe ich in den falschen Waschsalon, aber was ich da bisher gesehen habe, war wenig verlockend. Deshalb warte ich mit dem Gang immer, bis wirklich nichts mehr geht. Bis ich einfach nichts mehr zum Anziehen habe. Also ab mit den
Weitere Kostenlose Bücher