Frisch gepresst: Roman (German Edition)
Fleischbällchen denn auch geschmeckt hätten.
Aber von welchem Eingriff hat sie wohl gesprochen? Darf nur noch der Herr Sohn den Fleischwolf bedienen? Der Fast-Doktor. Operiert er Stammkunden der Metzgerei zum halben Preis im Schlachthaus oder im Kühlraum? Peinen läuft knallrot an. Wie schon damals in der Schule. Dr. Marek lacht aus vollem Hals. »Wußte gar nicht, daß Sie schon promoviert sind, Peinen. Das ging aber ganz schön flott. Na, jetzt aber Marsch zur Mutti und liebe Grüße und Dank für die Filets. Waren wirklich schön zart. Haben 1a gemundet.« Jetzt ist allen Anwesenden klar, daß der Peinen nicht nur ein Muttersöhnchen, sondern auch noch ein Chefbestecher ist. Er tut mir schon fast leid. »Sei ein guter Mensch, Schnidt«, denke ich mir und rufe ihm ein »Tschüs, Mischi« hinterher. Zur Aufmunterung. Aber er ist schon zur Tür raus. Sichtlich angeschlagen. So doof ist er auch nicht, daß er diesen Tiefschlag nicht merkt. »Na, dann schau ich mal selbst«, mit diesen Worten signalisiert Dr. Marek, daß ich dran bin. »Sieht prima aus«, meint er und läßt meine Einmalnetzunterhose, eben schnell gelüftet, schon wieder zurückschnalzen. Was er für diesen kurzen Blick wohl abrechnet? »Und sonst«, bemüht er sich um ein heiteres Arzt-Patienten-Gespräch. »Komme mir vor wie auf dem Pferdemarkt«, antworte ich und blecke gefällig die Zähnchen.
Wow, war das ein mutiger Moment in meinem Leben.
»Also alles paletti«, grummelt Dr. Marek. Hat der mir gar nicht zugehört? Bin ich nur Kulisse für seine kleine Show? Die »Schaut-mal-wie-man-diese-Gebärbehälter-behandelt-Nummer«?
»Immer schön Beckenbodenübungen machen, Sie wollen ja nicht inkontinent werden, gell, Frau Schnidt«, legt er mir so ganz nebenbei noch ans Herz und lacht laut und herzlich über sein kleines Witzchen.
Ach, auch egal. Hauptsache er trollt sich. Jetzt ist die Waschbecken-Inge an der Reihe. Eine Frau Müller-Wurz ist selbstverständlich vorbereitet. Noch ehe jemand Hand anlegen kann, kramt sie ein Zettelchen aus ihrem Nachtschränkchen. Sie hat einen Fragenkatalog vorbereitet, und ohne jede Zeitverschwendung schießt sie die erste in Richtung Dr. Marek ab: »Warum liegt in Ihren Kreißsälen Linoleumboden?« Dr. Marek und seine Gefolgschaft stehen völlig verdattert da. Ein oder zwei hinter dem großen Chef wagen sogar ein angedeutetes Grinsen. Dr. Marek findet die Frage weniger lustig: »Sehe ich vielleicht aus wie der Krankenhausinnenarchitekt? Geht es Ihnen denn sonst einigermaßen?« Inge bleibt cool, ignoriert seine Antwort komplett, moniert die Kälte des Bodens, die einhergeht mit der menschlichen, die fehlende Fußbodenheizung und erklärt dem Haufen fertiger und werdender Mediziner danach noch schnell die Vorzüge des Vierfüßlerstandes bei der Geburt. »Aber ist Ihr Kind nicht längst geboren?« will Dr. Marek erstaunt wissen. »Man muß auch für nachfolgende Frauen eine Lanze brechen«, insistiert Inge.
Dr. Marek macht den Eindruck, als würde er Inge, wenn sie nicht bald still ist, in die Psychiatrie einweisen lassen. »Wollen Sie was gegen die Depression? Ist im Wochenbett aber ganz normal und verschwindet von selbst«, schlägt er Inge erstaunlich sanft vor. Jetzt wird die Müller-Wurz richtig rabiat. »Halten Sie mich für blöde oder was? Ich bin nicht depressiv, sondern versuche die Mißstände in Ihrer Klinik zu beheben«, kontert sie mit strengem Blick. Hätte ich ihr nicht zugetraut. Wäre fast einen Szenenapplaus wert.
Dr. Marek hat nun aber die Faxen dicke. »Vielleicht wenden Sie sich schriftlich an den Verwaltungsdirektor der Klinik und lassen mich jetzt mal meine Arbeit machen«, knoddert er schon um einiges lauter und reißt mit einem entschiedenen Ruck Inges Bettdecke zurück. Zur Strafe für ihr vorlautes Gerede dürfen alle aus dem Gefolge mal in Ruhe gucken. Inge läßt das sichtlich kalt. »Nur zu, noch jemand«, fordert sie auch die aus der zweiten Reihe auf. »Mir macht das nichts, ich war schon am FKK -Strand, als die meisten von Ihnen sich nicht mal im Dunkeln komplett ausgezogen haben. An meinem Körper ist nichts Peinliches. Wir sind die Natur, ein Bestandteil und deswegen natürlich. Wer sich selbst nicht akzeptiert, wird auch nie andere lieben können. Wer andere nicht ernst nimmt, nimmt sich selbst nicht ernst.« Der letzte Teil ging eindeutig an Dr. Marek. Der hat nun wirklich die Schnauze voll, murmelt in Richtung Schwester Huberta was von baldiger Entlassung und beim
Weitere Kostenlose Bücher