Frisch gepresst: Roman (German Edition)
probiert zu haben, tut sie einiges, um die Richtige aufzuspüren. Es gibt keine Lesbenkneipe oder Disco im Umkreis von 300 km um München, die Heike nicht kennt. Auch hier im Rhein-Main-Gebiet haben wir gemeinsam schon die ein oder andere abgeklappert. Einen Abend werde ich nie vergessen. Es war wirklich lustig, bis die LKW -Fahrerin aus Hanau mir dermaßen auf die Pelle gerückt ist, daß ich mich kaum mehr wehren konnte. Heike hat sich dabei glänzend amüsiert. Aber nicht lange. Durch einen kleinen Trick habe ich meine Verehrerin, ein haariges Etwas mit mindestens 98 Kilo Lebendgewicht, umgeleitet. Direkt zu Heike. Eine kleine Andeutung über das »sexuelle Ausgehungertsein« meiner Münchner Freundin und ihren Riesenappetit in dieser Hinsicht hat gereicht. Ich war schon fast beleidigt, so schnell, wie die ihr Interesse von mir abgezogen und auf Heike gerichtet hat. War nicht gerade wählerisch, die Gute. Oder hat vielleicht auch gemerkt, daß ich nicht so richtig anbeiße. Wer investiert schon gerne in aussichtslose Fälle. Heike hat echt Mühe gehabt, Paula, so hieß die Hartnäckige, in ihre Schranken zu verweisen. Die hatte die fixesten Hände, die ich je gesehen habe. Aber sie war nun mal weder Heikes noch mein Typ. Heike steht auf die großen Schmalen, gerne mit ganz kurzen, schrill gefärbten Haaren. Dazu liebt sie gute Umgangsformen, so einen kleinen Touch Aristokratie. Paula, sicher herzensgut und liebenswert, sah so aus, als würde sie Tag und Nacht Birkenstocks tragen und abends gern mal genüßlich in den Jogginganzug furzen. Nicht gerade das, was man sich unter aristokratisch vorstellt. Auch ihr derber, direkter Charme war nicht unbedingt was für Heike. Ihr Standard-Anmachspruch: »Willst du ’nen guten Fick, geh mit der geilen Paula mit« kam so gar nicht an. Eigentlich schade. Weil Paula bestimmt eine nette Frau ist. Eine der robusten Sorte eben.
Womit ich natürlich nicht sagen will, daß Lesben allesamt haarige LKW -fahrende Gestalten mit dem Umfang eines mittleren Walfisches sind. Klar gibt es jede Menge attraktive. Nur hat Heike bei ihren Pirschversuchen halt keinen Erfolg. Die, die sie begehrt, sind vergeben, und die anderen will sie nicht. Weil Corinna (eine weitere Hetero-Freundin) und ich das Elend kaum mehr mit ansehen können und wir wirklich finden, Heike hätte eine Top-Loverin verdient, haben wir ihr letztens eine schmucke Kontaktanzeige geschaltet. Ein Debakel. Nicht der Abend, an dem Corinna und ich uns bei diversen Gläschen Rotwein die Anzeige ausgedacht haben. Der war wirklich lustig. Und die Anzeige klar und deutlich. Kreative und witzige Anzeigen liest zwar jeder gern, aber wer reagiert schon auf so Kunstprodukte? Außerdem hatte es mit unserer Kreativität nach 4 Vierteln Wein so seine Grenzen.
»Schlaue und schöne Frau sucht ebensolche. Bi-Frauen und Lehrerinnen mit Vorliebe für Leggings ausgeschlossen.« Weil wir nicht geizig sind, jedenfalls nicht in solchen, vielleicht lebensentscheidenden Dingen, haben wir die Anzeige in alle möglichen Zeitungen gesetzt. Ich hätte nie gedacht, daß manche da so rumzicken.
In der liberalen »Zeit« zum Beispiel nehmen sie überhaupt keine Lesbenanzeigen. »Wir veröffentlichen nur Heiratsanzeigen«, hat uns eine leicht pampige Liesel aus der Anzeigenabteilung mitgeteilt. »Kontaktanzeigen gibt’s bei uns nicht.« Da Lesben noch nicht heiraten dürfen, jedenfalls in Deutschland, fiel die »Zeit« schon mal flach. Aber in die »Frankfurter Rundschau«, die diversen Stadtmagazine und die »Emma« haben wir die Anzeige gesetzt. An Resonanz hatten wir uns mehr versprochen. Vielleicht war die Anzeige doch etwas zu knapp und nicht aussagekräftig genug. Auf die Rundschau kam nur eine Antwort. Per Postkarte. »Bin die, die du suchst, rufe an.« Drunter nur Renate, 24, und eine Telefonnummer. Nachdem wir Heike ordentlich ermuntert hatten, hat sie in ein Date mit Renate eingewilligt. Allerdings eher widerwillig. Erst hat sie gezickt, von wegen, die ist mir zu jung, was soll ich mit so einem Teenie und so weiter. Ein bißchen Einsatz sollte man für die potentielle Liebe des Lebens doch schon zeigen, haben wir Heike leise gedroht. Und den Standardspruch: »Alt werden sie von selbst« hinzugefügt. Die Verabredung, das sogenannte Blind Date der beiden, war kein gigantischer Erfolg. Hübsch war sie, laut Heikes Aussage, schon, die kleine Renate. Eine dieser »Schau mal her, wie sexy ich bin«-Tanten. Ein Rock, bei dem Leute wie meine Mutter
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