Frisch gepresst: Roman (German Edition)
spendiert haben. Mischi, den sie immer gehänselt haben: Peinen, der hat ’nen kleinen. Mischi, der daraufhin gedroht hat, bei der nächsten Party Salmonellen-Frikadellen mitzubringen. Mischi, den keine wollte, weil er selbst etwa das Format einer Frikadelle hatte. Mischi, der alle Mädchen mit Mettbrötchen für sich gewinnen wollte. Mischi, der immer so fettig glänzende Mundwinkel hatte und den wir alle nicht mochten, aber immer ein bißchen ausgenutzt haben. Was tut man eben nicht alles für Mettbrötchen.
Ich war es nicht allein, will ich aufschreien, da meldet sich ein begeisterter Dr. Marek zu Wort: »Na, wenn Sie beide sich so gut kennen, dann kann Herr Peinen ja gleich mal die Schnittkontrolle bei Ihnen machen, Gnädigste. Aber erst schauen wir uns mal die Sectio hier am Fenster an.« Frau Tratschner liebt Visite. Das merkt man gleich. Sie lebt richtig auf. Voller Glück berichtet sie dem versammelten Haufen von ihrem Häufchen. Konsistenz und Menge. Detailgenau ist sie, das muß man ihr lassen. Schwester Huberta ist die einzige im Weißkittelrudel, die ein wenig das Gesicht verzieht. Kann ich da so was wie Spott erkennen? Hat echt Humor, die Gute. Immerhin. Der Rest steht ergriffen da und wartet, wie der Chef reagiert. »Fein, Frau Tratschner, und jetzt wollen wir mal nach dem Bäuchlein schauen«, unterbricht er zwar nicht lautstark, aber mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldet, den kleinen Verdauungsvortrag.
Sofort reißt einer der Untertanen die Bettdecke weg, und mindestens 7 Augenpaare starren auf den Wanst von Frau Tratschner. Selbst ich kann nicht anders. Kahlrasiert liegt die Ärmste hier und wird begafft. Jeder der Medizinlehrlinge darf ihr mal auf den Bauch tatschen. Gebärmutter fühlen. Narbe begutachten. Ein leises Stöhnen von Frau Tratschner stört keinen. Der Peinen stellt sich besonders dappisch an. Er knatscht und knetet auf dem Bauch rum, als wäre es ein besonders großes Stück Mett. Dr. Marek eilt seinem Problemschüler zu Hilfe. Vier Pranken hat die Tratschner jetzt auf ihrer Vorderfront. Der Marek scheint zufrieden, und Mischi genießt die Krabbelei sichtlich.
Wahrscheinlich die erste Frau, die sich bis heute mehr oder weniger freiwillig von ihm anfassen läßt. Ob er ihr morgen wenigstens ein Mettbrötchen zur Entlohnung mitbringt?
Endlich darf die Ärmste ihren Bauch wieder bedecken. Jetzt sind die Brüste dran. Ob’s mit dem Stillen klappt, wollen sie wissen. »Ja, ja«, stammelt die Tratschner, noch sichtlich benommen von der Erkundungsfahrt auf ihrem Unterleib. »Kleine Verhärtungen, spüren Sie’s, Peinen?« will Dr. Marek wissen. Mit seinen Wurschtfingern versucht Mischi, die Diagnose des Chefs zu bestätigen. Er drückt dermaßen auf den Brüsten von Frau Tratschner rum, daß ihm die Milch entgegenschießt. Peinlich berührt, wischt er sich die Finger am Kittel ab. Verzieht angeekelt das Gesicht. Hat dem Jungen das niemand vorher gesagt? Daß da eventuell Milch drin sein könnte? Und was ekelt sich der Mett-Mischi vor ein bißchen Milch? Jemand, der mit Tiergedärm aufgewachsen ist. Dessen Mutter ihn nur mit Müh und Not von Schweinehack unterscheiden konnte. Sollte für den so was wie Milch nicht das Natürlichste der Welt sein?
Wo bleibt überhaupt Müsli-Inges Einspruch. Die, die sonst ihre Klappe kaum halten kann, liegt absolut still und brav in ihrem Bett. Gegen meine Mutter aufmucken, aber im Kampf gegen brutale Ärzte keine Traute haben, das sind mir ja die Liebsten. Ich halte allerdings auch den Mund. In demütiger Vorfreude auf die baldige Besichtigung meiner Schnittnaht. Ich probiere schon mal, den Bauch einzuziehen. Habe nämlich keine Lust, später, beim Jahrgangstreffen in der Schule, von Mett-Mischi Witze über meinen Bauch zu hören. Doch manchmal ist einem das Schicksal echt gnädig. Gerade, als die gesamte Bagage sich zu meinem Bett eindreht, geht die Tür auf, und die trottelige Lernschwester steckt den Kopf rein: »Entschuldigen Sie vielmals die Störung, aber eine Frau Peinen hätte gern mal ganz dringend ihren Sohn, den Herrn Doktor Peinen, gesprochen, wegen einem Eingriff oder so. Ich habe ihr gesagt, es ist Visite, aber sie hat gesagt: ›Mein Bub kommt, wenn seine Mutter was will.‹«
Kastration per Telefon. Gekonnt ist gekonnt. Die Peinen war schon immer so. Rabiat.
Die hat es glatt fertiggebracht, auf Oberstufenparties um Punkt 23.00 Uhr im Saal zu stehen, um ihren Mischi-Bub abzuholen und mal schnell nachzufragen, ob die
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