Frisch gepresst: Roman (German Edition)
anderer zu reagieren. Ab und an reicht es eben auch der harmoniebedürftigen Inge, und mit dem Thema Rudi kennt sie sich nun mal am allerbesten aus. Wer’s besser weiß, soll erst mal mehr als 35 Jahre mit ihm verheiratet sein. Christoph ist das immer wieder ganz schön peinlich mit seinem Vater, der nie zu Wort kommt, und seiner Mutter, die wie eine Bauchrednerin für ihn spricht. Aber alle anderen haben sich daran gewöhnt und wissen die Vorteile insgeheim auch zu schätzen. Es geht halt schneller.
Malzbier haben sie mir mitgebracht. Na klasse. Wozu denn das? »Damit die Milch besser fließe tut«, errät Inge meine Frage und tut ganz erstaunt, als ich ihr ein wenig barsch zum etwa 78. Mal mitteile, daß ich nicht stille, sondern im Gegenteil gerade versuche, den genetisch programmierten Milcheinschuß zu unterbinden. Durch Tabletten. Ein wenig pikiert gesteht sie: »Ich hab aanfach gehofft, wenn du des klaa Engelscher siehst, überlegste es dir doch noch annerster. Wo is überhaupt des Engelschen, unser erstes Enkelkindscher?« »Und euer letztes garantiert auch«, will ich sagen, verkneife es mir dann aber. Wozu einer an sich harmlosen Person wie Inge Leid zufügen? Bringt nichts. Macht auch keinen Spaß. Sich mit gleichwertigem Partner zu fetzen ist eine Art Sport. Wenn man aber eine Frau wie Inge fertigmacht, ist es gemein. Außer, man hieße Rudi und würde sich für all die Jahre rächen. Die Jahre des Hinterherwatschelns und Nicht-zu-Wort-Kommens. Andererseits gibt es Kulturen und Länder, in denen Frauen jahrzehntelang hinterherlaufen, und das scheint ja auch keinen besonders zu stören. Bis auf die Frauen. Und die fragt ja keiner.
Christoph eilt, um den Eltern das gewünschte Engelchen anzuschleppen. Jetzt bin ich abgemeldet. Schmatzlaute und euphorisches Gegrunze, mehr kriege ich von den beiden nicht mehr mit. Mein Kind findet ihr Gefallen. Na prima. Obwohl ich mir kaum eins vorstellen könnte, das ihnen keine Entzückensschreie entlocken würde. Ist letztlich ja auch gut so. Begeistert sitten sie lieber. Inge verdrückt ein paar Tränchen. Das rührt sogar ihre Namensvetterin, die Müsli-Müller-Wurz. »Lassen Sie Ihren Emotionen freien Lauf«, rät sie, wieder mal ungefragt. Meine Fast-Schwiegermutter hat gleich die richtigen Umgangsformen für eine Person wie die Müller-Wurz parat. Einfach keine Reaktion zeigen. Und keinesfalls in die Richtung gucken. Wer wirklich niedlich ist, ist mein Schwiegervater Rudi. Der Einfachheit halber nenne ich die beiden schon Schwiegervater und Schwiegermutter. Außerdem mögen sie es. Es hört sich dann wenigstens so an, als wäre alles in Ordnung. Rudi hat auch ein Tränchen im Augenwinkel hängen. Hätte ich nie von ihm gedacht. So sentimental. Süß.
Christoph steht mit stolzgeschwellter Brust daneben und tut gerade so, als hätte er es höchstpersönlich rausgepresst. Typisch Mann. Mit fremden Federn schnell geschmückt. Dabei war der Kerl erst alles andere als begeistert über die Schwangerschaft. So richtig ewig waren wir nämlich noch gar nicht zusammen. Für Christophs Verhältnisse. Er findet Beziehungen kann man frühestens nach 8 Jahren als ordentlich und solide bezeichnen. Ich aber habe mir doch glatt erlaubt, nach einem Jahr schon schwanger zu werden. Ein Skandal. Weniger die Tatsache an sich, als die, daß Christoph so ein Fauxpas passieren konnte. Nicht, daß er generell keine Kinder wollte. Nein, keineswegs. Nur eben noch nicht sofort. Und so unvorbereitet. Als wüßte mein promovierter Jurist nicht, daß ungeschützter Geschlechtsverkehr Schwangerschaften geradezu provoziert. Aber mit dem »Munter-drauf-los-Sex« ist es ähnlich wie mit dem besoffen Autofahren. Man erwartet einfach nicht, daß es einen erwischt. So hoch ist die Wahrscheinlichkeit ja auch wieder nicht. Aber hoch genug. Das hat dann auch Christoph gemerkt. In meiner Pillenpause – Raucherinnen über 30 sollten sich von der Pille sowieso langsam verabschieden – na ja, in dieser Pause hat sich Christoph auf meine Rechnungen verlassen. Die über fruchtbare und unfruchtbare Tage. Leider war das Rechnen noch nie meine Stärke. Aber so ganz schlimme Vorwürfe konnte ich mir deswegen auch nicht machen. Schließlich wollte ich, daß Christoph Kondome benutzt. Er aber nicht. Sein witzig gemeintes »Wird schon schiefgehen« klingt mir immer noch in den Ohren.
Gemerkt habe ich das mit der Schwangerschaft verdammt schnell. Meine Brüste haben in kürzester Zeit signalisiert, daß irgendwas
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