Frisch getraut: Roman (German Edition)
seinem glatt rasierten Kinn und seinem Mund vorbei in seine Augen. »Wieso sollte ich dir glauben? Du hast doch schon zugegeben, dass du gelogen hast. Wir hatten keinen Sex, und …« Sie hielt inne und schnappte nach Luft. »Gott sei Dank.« Sie fühlte sich, als sei eine schwere Last von ihr gefallen. »Gott sei Dank hab ich nicht mit dir geschlafen«, brach es erleichtert aus ihr heraus. Sie schüttelte fassungslos den Kopf und gackerte wie eine Irre. Also war sie doch keine trunksüchtige Schlampe. Sie war nicht in ihr altes selbstzerstörerisches Muster zurückgefallen. »Du weißt gar nicht, wie erleichtert ich bin! Ich hatte also keinen lauten, heißen, verschwitzten Sex mit dir.« Sie wischte sich imaginären Schweiß von der Stirn. Endlich eine gute Neuigkeit nach einer absolut katastrophalen Woche. »Puh!«
Er verschränkte verärgert die Arme vor der Brust und starrte
auf sie herab. Dabei fiel ihm eine rotblonde Locke in die gebräunte Stirn. »Du stakst so verkniffen durch die Gegend, dass ich bezweifle, dass du je lauten, heißen, verschwitzten Sex hattest. Du würdest lauten, heißen, verschwitzten Sex nicht mal erkennen, wenn er dich zu Boden werfen und auf dich steigen würde.«
Sie konnte seine testosterongeladene Entrüstung körperlich spüren. Er hatte recht, sie hatte noch nie lauten, heißen, verschwitzten Sex gehabt. Aber erkennen würde sie ihn bestimmt, wenn er auf sie draufstieg. »Sebastian, ich bin von Beruf Liebesromanautorin.« Sie griff in ihre Jackentasche.
»Ja und?«
Sie zog ihre Schlüssel heraus. Auf keinen Fall würde sie zugeben, dass er recht hatte. »Was glaubst du, wo ich meine Ideen für all die lauten , heißen, verschwitzten Sex -Szenen in meinen Büchern herkriege?« Das war eine der meistgestellten Fragen an Liebesromanautorinnen und eine der absurdesten. Es hatte schon seinen Grund, warum sich das Genre auch »romantische Fiktion« nannte. Aber wenn sie für jedes Mal einen Dollar bekäme, wenn sie gefragt wurde, woher sie die Ideen für ihre Liebesszenen nahm, könnte sie ihr Einkommen um ein hübsches Sümmchen aufbessern. »Das ist alles sorgfältig recherchiert. Du bist doch Journalist. Du kennst dich mit Recherchen aus. Stimmt’s?«
Sebastian antwortete nicht, doch sein freches Grinsen sagte mehr als genug.
Clare öffnete ihre Autotür, und er war gezwungen, einen Schritt zurückzutreten. »Du glaubst doch nicht, ich erfinde das alles nur, oder?« Sie lächelte zufrieden und stieg in ihren Wagen. Ohne eine Antwort abzuwarten, startete sie den Lexus
und schloss die Tür. Als sie wegfuhr, warf sie im Rückspiegel einen letzten Blick auf Sebastian, der mit fassungsloser Miene noch genau an der Stelle stand, wo sie ihn zurückgelassen hatte.
Er hatte noch nie einen Liebesroman gelesen. Hielt das für rührseligen Mist. Weiberkram. Sebastian vergrub die Finger in den Hosentaschen seiner Jeans und sah zu, wie Clares Rücklichter verschwanden. Wie viele Sex-Szenen packte sie in diese Bücher, die sie schrieb? Und wie heiß waren sie wirklich?
Die Hintertür des Hauses schlug zu und lenkte seine Aufmerksamkeit auf seinen Vater, der auf ihn zukam. War das der Grund, warum Mrs. Wingate nicht gern über Clares Schreiberei sprach? War es Pornografie? Und was noch wichtiger war, stellte Clare dafür wirklich Recherchen an?
»Wie ich sehe, ist Clare weg«, bemerkte sein Vater beim Näherkommen. »So ein liebes, nettes Mädel.«
Sebastian schaute seinen Vater entgeistert an und fragte sich, ob er dieselbe Clare meinte, die ihn gerade als verlogenen Mistkerl bezeichnet hatte. Oder die Clare, die so erleichtert gewesen war, dass sie keinen Sex mit ihm gehabt hatte, dass sie ausgesehen hatte wie eine Insassin im Todestrakt, die plötzlich zu Gott gefunden hatte. Als würde sie sich gleich zu Boden werfen und Jesus Christus lobpreisen.
»Ich weiß, dass Joyce dich eben kalt erwischt hat.« Leo blieb vor Sebastian stehen und setzte seinen Hut auf. »Ich weiß, dass du gar nicht vorhattest, übers Wochenende zu bleiben.« Er fixierte einen Punkt im Garten und fügte hinzu: »Fühl dich nicht zum Bleiben genötigt. Ich weiß, dass du wichtige Dinge erledigen musst.«
Nichts, was nicht warten konnte. »Ich kann ruhig übers Wochenende bleiben, Dad.«
»Gut.« Leo nickte. »Dann ist es gut.«
In den Bäumen über ihnen keckerten Eichhörnchen, und Sebastian fragte: »Was hast du heute noch vor?«
»Tja, wenn ich mich umgezogen hab, wollte ich zum Lincoln-Händler
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