Frisch getraut: Roman (German Edition)
ich, es wäre klug von dir, meinem Beispiel zu folgen. Ich habe mich in einer festen Beziehung gewähnt, aber … Du weißt ja, wie es heißt, man schläft nicht nur mit dem Menschen, mit dem man gerade schläft, sondern auch mit allen, mit denen der andere je geschlafen hat.« Sie stieß ein kleines nervöses Lachen aus und blinzelte ein paar Mal, als wollte sie die Tränen unterdrücken. »Deshalb …«
Sebastian sah sie an, wie sie dort stand, während die Schatten in ihrem dunklen Haar spielten und einen ihrer Mundwinkel berührten.
Er erinnerte sich an das kleine Mädchen mit der riesigen Brille, das ihm als Kind überallhin gefolgt war, und genau wie damals vor all den Jahren tat sie ihm ein bisschen leid.
Verdammt.
Fünf
»Wir hatten keinen Sex.«
»Wie bitte?« Clares Augen brannten, während sie gegen die Tränen ankämpfte, die zu vergießen sie sich weigerte. Sie war beschämt und verlegen, aber sie durfte nicht in der Öffentlichkeit heulen, schon gar nicht vor Sebastian. Sie war aus härterem Holz geschnitzt. »Was hast du gesagt?«
»Wir hatten keinen Sex.« Er zuckte mit seinen kräftigen Schultern. »Du warst zu betrunken.«
Clare sah Sebastian mehrere lange Sekunden an und traute ihren Ohren nicht. »Haben wir nicht? Aber du hast es gesagt.«
»Nicht gleich. Du bist splitternackt aufgewacht und davon ausgegangen. Ich hab dich bloß in dem Glauben gelassen.«
»Was?« Sie hatten gar keinen Sex gehabt, und sie hatte gerade Höllenqualen durchlitten? Für nichts und wieder nichts? »Du hast mich nicht nur in dem Glauben gelassen. Du hast gesagt, wir waren sehr laut, und du hattest Angst, dass jemand den Sicherheitsdienst alarmiert.«
»Ja, vielleicht hab ich’s ein bisschen ausgeschmückt.«
»Ein bisschen?« Das Brennen in ihren Augenhöhlen verwandelte sich in rasende Wut. »Du hast behauptet, ich hätte nicht genug kriegen können!«
»Tja, du hattest es verdient.« Er deutete auf das Molson-Bier
auf seinem T-Shirt und hatte die Dreistigkeit, die beleidigte Leberwurst zu spielen. »Ich hab noch nie eine betrunkene Frau ausgenutzt. Nicht mal eine, die sich direkt vor meiner Nase nackt auszieht, ins Bett kriecht und sich die ganze Nacht in Löffelchenstellung an mich schmiegt.«
»Löffelchenstellung? Löffelchenstellung!« Stimmte das? Sie wusste es nicht. Woher auch? Wahrscheinlich log er ihr auch jetzt die Hucke voll. Vorher hatte er ja ebenfalls gelogen. Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen, und rief sich ins Gedächtnis, dass sie in der Öffentlichkeit nicht laut wurde. Weder laut wurde noch so lange auf verlogene Mistkerle einprügelte, bis sie tot waren. Sei nett , warnte sie die leise Stimme in ihrem Kopf. Lass dich nicht auf sein Niveau herab . Sie war zum Bravsein erzogen worden, und was hatte sie davon? Brave Mädchen stürmten nicht als Erste den Gipfel. Sie saßen dumm rum und erstickten an allem, was sie runterschlucken mussten, weil sie zu nett waren, es auszusprechen. Fraßen es in sich rein und hatten furchtbare Angst, eines Tages zu platzen, weil dann die ganze Welt sehen würde, dass sie gar nicht so nett waren. »Ich glaub dir kein Wort.«
»Du hast an mir geklebt wie eine Schmeißfliege.«
»Du hast eindeutig Wahnvorstellungen.« Er reizte sie wie damals als Kinder, aber sie würde im Umgang mit ihm nicht in alte kindische Muster verfallen. »Aber ich muss dir deine wilden Fantasien ja nicht abnehmen.«
»Du wolltest hemmungslosen, schmutzigen Sex. Aber ich hielt es für falsch, eine stinkbesoffene Schnapsdrossel auszunutzen.«
Sie spürte, wie ihr Blutdruck anstieg. »Ich bin keine Schnapsdrossel.«
»Neulich Abend schon. Aber ich hab dein Flehen nicht erhört.«
Ihr Blutdruck erklomm schwindelnde Höhen. »Du verlogenes Arschloch«, schrie sie, und ihr war schnurz, ob ihr Ausbruch kindisch oder ungehobelt war oder ob sie auf seine Provokation reingefallen war. Es fühlte sich gut an, ihre Wut an ihm auszulassen. Er verdiente es. Oder vielmehr, es fühlte sich so lange gut an, bis er sie wieder mit seinem frechen Grinsen bedachte. Mit dem, das sie von früher kannte. Das bei seinen grünen Augen ankam und sie um ihre Genugtuung brachte.
Er trat ein paar Schritte vor, bis nur noch wenige Zentimeter seine Brust vom Revers ihrer Jacke trennten. »Du hast dich so eng an mich gepresst, dass mein zugeknöpfter Hosenstall auf deinem nackten Hintern einen Abdruck hinterlassen hat.«
»Werd endlich erwachsen.« Sie legte den Kopf in den Nacken und schaute an
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