Frisch getraut: Roman (German Edition)
zu widersprechen, klappte ihn
aber wieder zu. Kompromisse hatte sie schon vor Jahren abgeschrieben. »Jeder Versuch ist zwecklos. Ich kann es ihr einfach nicht recht machen. Ich hab es mein Leben lang versucht, und mein Leben lang hab ich sie enttäuscht. Ich bin aus dem Wohltätigkeitsverein ausgetreten, weil ich nicht die Zeit dazu hatte, und mache auch keine andere gemeinnützige Arbeit mehr. Ich bin dreiunddreißig, Single und hab noch keinen Enkel hervorgebracht. Ihrer Meinung nach verplempere ich mein Leben. Eigentlich war bisher das Einzige, was sie gut fand, meine Verlobung mit Lonny.«
»Ah, das ist also der Grund.«
»Was?«
»Ich hab mir den Kopf zerbrochen, was eine Frau dazu bringen könnte, mit einem Schwulen zusammenzuleben.«
Sie zuckte die Achseln, und auch der andere Träger ihres Kleides rutschte ihren Arm hinab. »Er hat mich angelogen.«
»Vielleicht wolltest du ihm glauben, um es deiner Mutter recht zu machen.«
Sie überlegte kurz. Es war zwar immer noch nicht der Paukenschlag, auf den sie gewartet hatte, aber da war was Wahres dran. »Ja, vielleicht.« Sie schob beide Träger wieder hoch. »Aber das heißt nicht, dass ich ihn nicht geliebt habe und dass es weniger schmerzt, weil er mich nicht mit einer Frau betrogen hat.« Ihre Augen brannten entsetzlich. Sie hatte die ganze Woche noch nicht geweint, und sie würde ganz sicher nicht zulassen, dass sie es jetzt tat. »Es heißt nicht, dass alle Hoffnungen, die ich für die Zukunft hatte, plötzlich schwinden und ich denke: ›Wow, noch mal davongekommen.‹ Vielleicht sollte ich das tun, aber …« Ihre Stimme brach. Hastig sprang sie auf und rannte davon.
Weitab vom Trubel der Party blieb Clare unter einer alten Eiche stehen. Sie legte die Hand auf die raue, unebene Rinde und starrte mit Tränen in den Augen auf die Umrisse der wild wachsenden Vegetation jenseits des Gartens. War es erst eine Woche her? Es kam ihr länger vor, und trotzdem … als wäre es erst gestern gewesen. Sie wischte die Tränen ab. Sie befand sich in der Öffentlichkeit. Sie weinte nicht in der Öffentlichkeit.
Warum überkam sie der Heulkrampf ausgerechnet jetzt? Ausgerechnet hier? Sie atmete tief durch. Vielleicht, weil sie ständig beschäftigt gewesen war. Die Sorge wegen des Aidstests und die Planung von Leos Party hatten viel geistige und körperliche Energie in Anspruch genommen. Jetzt, wo diese Sorgen ihre Gefühle nicht mehr blockierten, brach sie zusammen.
Und das kam ihr verdammt ungelegen.
Sie nahm wahr, dass Sebastian sich hinter sie stellte. Nicht so nah, dass er sie berührte, aber so, dass sie die Wärme seines Körpers spürte.
»Weinst du?«
»Nein.«
»Klar weinst du.«
»Ich will einfach allein sein, wenn es dir nichts ausmacht.«
Natürlich ging er nicht. Stattdessen legte er ihr die Hände auf die Schultern. »Nicht weinen, Clare.«
»Okay.« Sie wischte sich die Tränen von den Wangen. »Mir geht’s gut. Du kannst wieder zu den Partygästen gehen. Leo fragt sich bestimmt schon, wo du bleibst.«
»Dir geht’s nicht gut, und Leo weiß, dass ich ein großer Junge bin.« Er strich über ihre nackten Arme zu ihren Ellbogen. »Wein keinem Kerl nach, der es nicht wert ist.«
Sie schaute verlegen auf ihre Füße. In der Dunkelheit waren ihre pedikürten Zehen kaum zu sehen. »Ich weiß, du glaubst, weil ich nicht die richtige Ausstattung habe, sollte ich es nicht so schwernehmen, aber du verstehst nicht, dass ich Lonny geliebt habe. Ich dachte, er wäre der Mensch, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen würde. Wir hatten viele Gemeinsamkeiten.« Eine Träne kullerte über ihre Wange und fiel auf ihre Brust.
»Aber nicht Sex.«
»Ja, abgesehen davon, aber Sex ist nicht alles. Er hat mich sehr in meiner Arbeit unterstützt, und in allen wirklich wichtigen Aspekten waren wir füreinander da.«
Seine warmen, rauen Handflächen strichen über ihre Arme zu ihren Schultern. »Sex ist aber wichtig, Clare.«
»Ich weiß, aber es ist nicht das Allerwichtigste in einer Beziehung.« Sebastian gab ein verächtliches Geräusch von sich, doch sie ignorierte es. »Wir hatten vor, unsere Hochzeitsreise nach Rom zu machen, damit ich für ein Buch recherchieren kann, aber das ist jetzt alles vorbei. Und ich komme mir töricht vor und … leer.« Ihre Stimme brach, und sie wischte sich die Augen. »Wie kann man jemanden an einem Tag noch lieben und am nächsten nicht mehr? Ich wünschte, ich wüsste es.«
Sebastian drehte sie zu sich und
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