Frisch getraut: Roman (German Edition)
entkleidete sich vollständig und hielt die Hand in die Dusche. Die Messingarmatur war kühl, als er den Wasserhahn aufdrehte und in die Glaskabine stieg. Wenn seine Mutter zwanzig Jahre gebraucht hatte, um ein richtiges Zuhause zu finden, hätte er auch noch ein paar Jährchen Zeit. Warmes Wasser strömte auf seinen Kopf und über sein Gesicht. Er schloss die Augen und spürte, wie seine Anspannung weggespült wurde. Es gab vieles, weshalb er sich Stress machen musste. Wo er wohnen sollte, gehörte momentan nicht dazu.
Er musste das Haus seiner Mutter verkaufen. Bald. Ihre beste Freundin und Geschäftspartnerin Myrna hatte bereits sämtliche Kosmetikartikel und Pflanzen aus dem Frisörsalon geräumt. Konserven und Klamotten hatte sie der städtischen Wohlfahrt gespendet. Alles, was er noch tun musste, war, sich zu überlegen, was er mit den restlichen Sachen seiner Mutter anfangen wollte. Wenn er das vom Hals hatte, würde sein Leben wieder normal verlaufen.
Er griff nach der Seife, schäumte seine Hände ein und wusch sich das Gesicht. Er dachte an seinen Vater und fragte sich, was sein alter Herr gerade so anstellte. Wahrscheinlich Rosen beschneiden. Und er dachte an Clare. Genauer gesagt, an den Abend, an dem er sie geküsst hatte. Was er zu Clare gesagt hatte, war die Wahrheit. Er hätte so gut wie alles getan, damit sie nicht mehr weinte. Die Tränen einer Frau waren so ziemlich das Einzige auf der Welt, das ihn hilflos machte. Und die Idee, Clare zu küssen, war ihm klüger vorgekommen, als sie zu hauen oder ihr einen Käfer ins Haar zu schmeißen wie früher.
Er hob den Kopf und spülte sich die Seife aus dem Gesicht. Er hatte sie angelogen. Als er sich für den Kuss entschuldigte, hatte es ihm gar nicht so leidgetan. Nicht im Geringsten. Eine der schwierigsten Entscheidungen, die er je getroffen hatte, war, auf dem Absatz kehrtzumachen und sie einfach so im Dunkeln stehen zu lassen. Eine der schwierigsten – aber auch der klügsten. Von allen alleinstehenden Frauen, die er kannte, war Clare Wingate genau diejenige, die am allerwenigsten dafür zu haben war zu knutschen, zu fummeln und sich nackt mit ihm im Heu zu wälzen. Nicht mit ihm.
Doch das hielt ihn nicht davon ab, an sie zu denken. An ihre runden Brüste und die dunkelrosa Brustwarzen. Lust tobte tief in seinem Unterleib, als er die Augen schloss und sich vorstellte, wie er ihre Brustwarzen hart machte, während seine Finger dem pinkfarbenen String ihres Tangas über ihre Hüfte zu dem Dreieck aus Seidenstoff folgten, das ihren Schritt bedeckte.
Seine Hoden schmerzten, und er wurde steinhart. Er stellte sich vor, wie sie ihn mit ihrem schönen Mund befriedigte. Sexuelle Begierde pumpte durch seine Adern, doch da war niemand,
der zu ihm unter die Dusche schlüpfte und sich darum kümmerte. Er könnte jemanden zu sich einladen, aber es kam ihm nicht richtig vor, eine Frau etwas zu Ende bringen zu lassen, das eine andere begonnen hatte. Also dachte er an Clare und kümmerte sich selbst darum.
Nach der Dusche schlang sich Sebastian ein Handtuch um die Hüften und schlenderte in die Küche. Er kam sich ein bisschen lächerlich vor, weil er gerade über Clare fantasiert hatte. Schließlich war sie das merkwürdige kleine Mädchen aus seiner Kindheit, und sie mochte ihn nicht mal. Normalerweise versuchte er, über Frauen zu fantasieren, die ihn nicht für ein Arschloch hielten.
Er goss sich einen Becher Kaffee ein und griff nach dem Telefon, das auf der Theke stand. Er wählte und wartete, während es tutete.
»Hallo«, antwortete Leo nach dem fünften Klingeln.
»Ich bin wieder da«, verkündete er und verbannte alle Gedanken an Clare aus seinem Kopf. Obwohl sie neulich so viel Zeit miteinander verbracht hatten, kam es ihm immer noch leicht seltsam vor, seinen alten Herrn einfach so anzurufen.
»Wie war die Reise?«
Sebastian hob den Becher an den Mund. »Gut.«
Sie sprachen übers Wetter, dann fragte Leo: »Bist du demnächst mal hier in der Nähe?«
»Ich weiß nicht. Ich muss Moms Haus ausräumen und für den Verkauf vorbereiten.« Schon während er das sagte, schreckte ein Teil von ihm vor dem Gedanken zurück, das Leben seiner Mutter in Kisten zu verpacken. »Ich hab das ständig vor mir hergeschoben.«
»Das wird hart.«
Das war stark untertrieben, und Sebastian lachte ironisch. »Ja.«
»Soll ich dir helfen?«
Wie automatisch klappte er den Mund auf, um abzulehnen. So ein paar Kisten konnte er schon allein zusammenpacken. Null
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