Frisch getraut: Roman (German Edition)
wäre nicht gut für dich und dass wir noch jede Menge Zeit hätten, wenn du erst mal älter wärst. Ich habe mich geirrt, und das bereue ich jetzt.«
»Wir alle verspüren Reue.« Sebastian selbst verspürte eine Menge davon, doch die schwere Hand seines Vaters fühlte sich an wie ein fester Anker in einer plötzlich Schwindel erregenden Welt. »Vielleicht sollten wir uns nicht länger damit aufhalten. Sondern einfach neu anfangen.«
Leo nickte und tätschelte Sebastian den Rücken wie damals, als er noch ein Junge war. »Warum holst du dir nicht ein Cola-Eis? Danach fühlst du dich besser, und ich mach das in der Zeit zu Ende.«
Er musste lächeln. »Ich bin fünfunddreißig, Dad. Ich hol mir kein Cola-Eis mehr.«
»Ach so. Tja, dann gönn dir ’ne Pause, ich mach das hier fertig.«
Sebastian stand auf und wischte sich die Hände an den Hosenbeinen ab. »Nein. Ich hole Handfeger und Kehrblech«, sagte er, dankbar für die ruhige Präsenz seines Vaters im Haus.
Elf
In der ersten Dezemberwoche bestäubte ein leichter Schnee die Straßen im Stadtzentrum von Boise und überzog die Gebirgsausläufer mit makellosem Weiß. Zwischen den Laternenpfählen hingen festlich geschmückte Kränze, die Schaufenster waren weihnachtlich dekoriert, und auf den Bürgersteigen drängten sich eingemummelte Kauflustige.
Im Piper Pub and Grille an der Ecke Eighth und Main Street dudelte »Holly Jolly Christmas«, einen Tick leiser als das stete Stimmengemurmel. Goldene, grüne und rote Girlanden verliehen dem Restaurant im ersten Stock eine festliche Note.
»Frohes Fest!« Clare hob ihren Pfefferminzmokka und stieß vorsichtig mit ihren Freundinnen an. Die vier Frauen hatten gerade zu Mittag gegessen und gönnten sich zum Nachtisch aromatisierten Kaffee.
»Frohe Weihnachten«, rief Lucy.
»Frohe Chanukka«, erwiderte Adele, obwohl sie keine Jüdin war.
Der Vollständigkeit halber fügte Maddie hinzu: »Frohe Kwanzaa«, obwohl sie weder afroamerikanischer noch panafrikanischer Herkunft war und noch nie einen Fuß nach Afrika gesetzt hatte.
Lucy trank einen Schluck, ließ ihre Glastasse sinken und sagte: »Ach, das hätte ich fast vergessen.« Sie durchwühlte ihre
Handtasche, die an der Stuhllehne hing, und zog mehrere Umschläge heraus. »Ich hab endlich an die Abzüge von den Fotos der Halloween-Party gedacht.« Einen Umschlag reichte sie Clare rechts von ihr, dann schob sie zwei weitere über den Tisch.
Im November hatten Lucy und ihr Mann Quinn in ihrem neuen Haus auf Quill Ridge mit Blick über die Stadt eine Kostümparty veranstaltet. Clare ließ das Foto aus dem Kuvert gleiten und sah sich im Häschenkostüm neben ihren drei Freundinnen stehen. Adele hatte sich mit überdimensionalen Flügeln aus hauchdünner Gaze als Fee ausstaffiert, Maddie war als Sherlock Holmes verkleidet und Lucy als unanständiger Cop. Die Party war ein Riesenspaß gewesen, genau das Richtige für Clare nach schwierigen zweieinhalb Monaten. Seit Ende Oktober hatte sich ihr Kummer etwas gelegt, und sie war sogar von Darth Vader eingeladen worden. Ohne den Helm war Darth auf gewisse Macho-Cop-Art durchaus attraktiv. Er hatte einen festen Job, noch sämtliche Haare und Zähne und schien hundert Prozent hetero zu sein. Die alte Clare hätte seine Einladung zum Abendessen bereitwillig angenommen und im Unterbewusstsein gehofft, dass ein neuer Mann ihr leichter über den Verlust des alten hinweghelfen würde. Doch obwohl sie sich geschmeichelt fühlte, hatte sie abgelehnt. Für eine Verabredung war es noch zu früh.
»Wann ist deine Signierstunde?«, fragte Adele Clare.
Sie schaute auf und schob das Foto in ihre Handtasche. »Ich hab eine am zehnten bei Borders und eine bei Walden’s am vierundzwanzigsten. Ich hoffe, von den vielen Verzweifelten profitieren zu können, die ihre Geschenke auf die letzte Minute kaufen.« Es war jetzt fast fünf Monate her, seit sie Lonny mit dem Servicetechniker von Sears ertappt hatte, und sie hatte
sich wieder gefangen. In letzter Zeit musste sie nicht mehr mit den Tränen kämpfen, und ihre Brust fühlte sich nicht mehr wie zugeschnürt an, doch sie war noch immer nicht bereit, sich mit Männern zu verabreden. Noch nicht. Wahrscheinlich noch eine ganze Weile nicht.
Adele schlürfte ein Schlückchen Kaffee. »Dann komm ich zu der am zehnten.«
»Ja, ich auch«, sagte Lucy.
»Ich auch. Aber am vierundzwanzigsten geh ich nicht mal in die Nähe des Einkaufszentrums.« Maddie schaute von dem Foto auf. »Wenn’s da
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