Frisch getraut: Roman (German Edition)
Problemo. »Bietest du mir deine Hilfe an?«
»Wenn du mich brauchst.«
Es war bloß alter Krempel. Der Krempel seiner Mutter. Sie hätte Leo ganz bestimmt nicht in ihrem Haus haben wollen, doch seine Mutter war tot, und sein Vater bot ihm Hilfe an. »Ich würde es zu schätzen wissen.«
»Dann sag ich Joyce, dass ich ein paar Tage wegmuss.«
Die Küche zusammenzupacken erwies sich als einfacher als erwartet. Sebastian war in der Lage, sich von dem Vorgang zu distanzieren, während er und Leo einträchtig nebeneinander arbeiteten. Seine Mutter hatte sich nie groß für Porzellan oder Kristall interessiert. Sie aß von schlichtem weißem Corelle-Geschirr, damit sie zerdepperte Teller problemlos ersetzen konnte. Ihre Gläser kaufte sie im Wal-Mart, und wenn sie mal eins fallen ließ, war das keine große Sache. Ihre Töpfe und Pfannen waren alt und in ziemlich gutem Zustand, weil sie selten kochte, insbesondere nachdem Sebastian ausgezogen war.
Doch nur weil seine Mutter nicht materialistisch war, bedeutete das nicht, dass sie nicht bis zu ihrem Tod sorgfältig auf ihr Äußeres geachtet hätte. Sie war pingelig gewesen, was ihre Haare, den Farbton ihres Lippenstifts und die Frage betraf, ob sich die Farbe ihrer Schuhe mit der ihrer Handtasche biss. Sie sang leidenschaftlich gern alte Judy-Garland-Songs, und wenn sie sich etwas gönnen wollte, kaufte sie sich Schneekugeln.
Sie hatte so viele davon, dass sie sein altes Zimmer in einen Ausstellungsraum umfunktioniert hatte. Für die Sammlung hatte sie an den Wänden speziell angefertigte Regale aufgestellt, und Sebastian hatte stets geargwöhnt, dass sie das nur getan hatte, damit er nicht wieder zu Hause einziehen konnte.
Nachdem Leo und Sebastian die Küche ausgeräumt hatten, schnappten sie sich alte Zeitungen und Pappkartons und begaben sich in Sebastians altes Zimmer. Die Holzdielen knarrten unter ihren Füßen, und durch die weißen, hauchdünnen Vorhänge strömte die Sonne in den Raum und fiel auf die Kugelreihen. Er rechnete fast damit, seine Mutter dort stehen zu sehen, wie sie mit dem rosafarbenen Staubwedel in der Hand die Regale abstaubte.
Sebastian setzte zwei Kartons auf einem Tisch ab und legte einen Stapel alter Zeitungen auf einen Klappstuhl, den er vorhin dort hingestellt hatte. Ganz bewusst verbannte er die Erinnerung an seine Mutter mit ihrem Staubwedel aus seinen Gedanken. Er griff nach der Kugel, die er ihr einmal aus Russland mitgebracht hatte, und drehte sie in der Hand. Weißer Schnee rieselte über die St.-Basilius-Kathedrale auf dem Roten Platz.
»Tja, mich laust der … Wer hätte gedacht, dass Carol die all die Jahre aufgehoben hat!«
Sebastian schaute zu Leo herüber, der nach einer alten Kugel aus Cannon Beach, Oregon, griff. Eine Meerjungfrau saß auf einem Felsen und kämmte ihr blondes Haar, während Glitzerstaub und Muscheln um sie herumschwebten.
»Die hab ich deiner Mutter in unseren Flitterwochen gekauft.«
Sebastian schnappte sich ein Stück Zeitung und wickelte die
russische Kugel darin ein. »Das ist eine der ältesten. Ich wusste nicht, dass du sie ihr geschenkt hast.«
»Doch. Damals fand ich, die Meerjungfrau sähe aus wie sie.« Sein Vater blickte auf. Die Furchen in seinen Augenwinkeln wurden noch tiefer, und ein leises Lächeln umspielte seinen Mund. »Außer dass deine Mutter damals im siebten Monat mit dir schwanger war.«
»Na, das wusste ich.« Er packte die Kugel in den Karton.
»Sie war so schön und voller Leben. Eine echte Klassefrau.« Leo bückte sich und schnappte sich ein Stück Zeitung. »Bei ihr musste alles mit Karacho gehen, wie bei einer Achterbahnfahrt, und ich …« Er verstummte und schüttelte ratlos den Kopf. »Ich mochte es ruhig.« Er wickelte die Kugel ein, raschelte mit dem Zeitungspapier und sagte: »Tu ich wohl immer noch. Du kommst mehr nach deiner Mutter. Du bist sehr abenteuerlustig.«
Nicht mehr ganz so sehr. Wenigstens nicht wie noch vor Monaten. »Vielleicht schalte ich einen Gang zurück.«
Erstaunt blickte Leo zu ihm auf.
»Nach dem letzten Trip erwäge ich ernsthaft, meinen Reisepass einzumotten. Ich hab noch ein paar Aufträge, aber danach arbeite ich wahrscheinlich nur noch als freier Reporter. Nehm mir vielleicht eine Auszeit.«
»Und was willst du machen?«
»Weiß nicht genau. Ich weiß nur, dass ich keine Aufträge im Ausland mehr annehmen will. Jedenfalls für eine Weile.«
»Geht das denn?«
»Klar.« Über die Arbeit zu reden, lenkte ihn von seiner
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