Frisch getraut: Roman (German Edition)
für den Besuch von Earl und Countess Diberto zurechtmachen.«
Clare griff nach einem Recherchebuch über Adelige und schlug es auf. Sie wollte zwei neue Charaktere einführen und musste sich vergewissern, dass sie die korrekten Titel der italienischen Aristokratie verwendete. Gerade, als sie zu einer Seite mitten im Buch blätterte, klingelte es an der Tür, und »Paperback Writer« dröhnte durchs Haus. Es war Samstagmorgen, und sie erwartete niemanden.
Clare erhob sich von ihrem Scheibtischstuhl und ging zu einem der Mansardenfenster mit Blick auf die Auffahrt vor dem Haus. Unten parkte Leos Lincoln, aber sie hatte so eine Ahnung, dass nicht Leo der Fahrer war. Sie schob das Fenster auf, und ein Schwall kalter Dezemberluft blies ihr ins Gesicht und drang durch das dichte Baumwollgewebe ihres schwarzen Stehkragenpullis.
»Leo?«
»Nee.« Sebastian trat unter der Veranda hervor und schaute zu ihr hinauf. Er trug seine schwarze Winterjacke und eine Sonnenbrille mit schwarzer Fassung.
Sie hatte ihn seit dem Tag zuvor nicht mehr gesehen, als sie fluchtartig die Speisekammer ihrer Mutter verlassen hatte. Clare spürte, wie ihre Wangen trotz der Kälte brannten. Sie hatte gehofft, ihn eine Weile nicht sehen zu müssen. Möglichst ein Jahr lang. »Warum bist du hier?«
»Weil du hier wohnst.«
Während sie zu ihm herabblickte, fühlte sich ihr Magen leicht flau an. Eine Empfindung, die rein gar nichts mit tiefen
Gefühlen zu tun hatte und alles mit Verlangen. Die Art von Verlangen, das jede Frau für einen Mann verspüren würde, dessen Aussehen in Kombination mit seinem Lächeln des Guten zu viel war. »Warum?«
»Wenn du mich reinlässt, sag ich’s dir.«
Ihn in ihr Haus lassen? Hatte er ’ne Meise? Erst gestern hatte er sie gewarnt, er wolle ihr geben, was sie angeblich brauchte. Zwar hatte das auf der Voraussetzung basiert, dass sie sich in seiner Gegenwart noch einmal halb nackt wiederfand, doch sie war sich nicht ganz sicher, ob sie beschwören konnte –
»Komm schon, Clare. Mach auf.«
– dass es nicht wieder passierte. Und auch, wenn sie nur allzu gern alles ihm in die Schuhe schieben wollte, hatte er recht gehabt. Sie war alt genug, um zu wissen, wohin ein aufgeknöpfter Pulli führte.
»Ich frier mir hier draußen den Hintern ab«, rief er ungeduldig zu ihr hoch und unterbrach ihre Gedankengänge, die ohnehin nicht zusammenhängend waren.
Clare streckte den Kopf weiter aus dem Fenster und schaute verstohlen zu den Nachbarn auf beiden Seiten. Zum Glück hörte ihn niemand. »Schrei nicht so!«
»Falls du dir Sorgen machst, dass ich versuchen werde, dich wieder flachzulegen, vergiss es«, brüllte er noch lauter. »So schnell verkrafte ich keine zweite Abfuhr. Ich musste noch eine gute halbe Stunde in der verdammten Speisekammer bleiben.«
»Psst.« Sie schloss das Fenster mit einem Klicken und verließ ihr Arbeitszimmer. Hätte sie sich nicht davor gefürchtet, was er als Nächstes krakeelen würde, hätte sie ihn nicht reingelassen, aber das wusste er vermutlich. Sie stieg die Treppe hinab und
lief durch die Küche zum Eingang. »Was ist?«, fragte sie unfreundlich, als sie den Kopf aus der Haustür steckte.
Er schob die Hände in seine Jackentaschen und grinste. »Begrüßt du deinen Besuch immer so? Kein Wunder, dass dich alle für so ein liebes, wohlerzogenes Mädchen halten.«
»Du bist kein Besuch.« Er lachte, und sie seufzte resigniert. »Na schön.« Sie schwang die Tür auf, und er trat ein. »Fünf Minuten.«
»Warum?« Er blieb vor ihr stehen und schob sich die Sonnenbrille hoch auf die Stirn. »Hältst du gerade wieder einen Bibelkreis ab?«
»Nein.« Sie schloss die Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. »Ich arbeite.«
»Kannst du ’ne Stunde Pause machen?«
Das konnte sie schon, aber sie wollte keine ihrer Pausen mit Sebastian verbringen. Er roch nach frischer Luft und einer dieser Männerseifen wie Irischer Frühling oder Calvin Klein. Er war aufgekratzter als sonst und hatte seine Libido runtergeschraubt, doch sie traute ihm nicht. Jetzt war es an ihr zu fragen: »Warum?«
»Damit du mir beim Aussuchen eines Weihnachtsgeschenks für meinen Vater helfen kannst.«
»Wäre es nicht einfacher, in Seattle ein Geschenk zu kaufen?«
»Dad kommt über Weihnachten nicht nach Seattle, und ich hab endlich einen Käufer für das Haus meiner Mutter gefunden. Ich weiß nicht, ob der Verkauf rechtzeitig abgewickelt ist und ich es noch schaffe, herzukommen und mit ihm zu
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