Frisch getraut: Roman (German Edition)
mehrere Bilder dort gekauft. Heute, während sie und Sebastian durch die Galerie schlenderten, fiel ihr auf, wie aufmerksam er die Gemälde studierte. Er blieb stehen, neigte den Kopf zur Seite und senkte dabei eine Schulter. Auffällig war auch, dass er meist vor Aktstudien stehen blieb.
»Ich glaube nicht, dass Leo das in sein Wohnzimmer hängen
würde«, scherzte sie, als er eine wunderschöne Frau betrachtete, die inmitten zerknitterter weißer Laken auf dem Bauch lag, wobei das Sonnenlicht ihren nackten Hintern liebkoste.
»Wahrscheinlich nicht. Hast du hier irgendwas gesehen, das dir gefällt?«, fragte er.
Clare deutete auf eine Frau in einem hauchdünnen weißen Kleid, die am Strand stand und ein Baby in den Armen hielt. »Mir gefällt ihr Gesichtsausdruck. Er ist glückselig.«
»Hmm.« Er legte den Kopf schief. »Ich würde ihn eher als friedlich bezeichnen.« Er ging weiter zu einer Kreidezeichnung eines fest umschlungenen nackten Paares. »Der Gesichtsausdruck dieser Frau ist glückselig.«
Sie hätte ihn eher als orgasmisch bezeichnet, wenn sie der Typ Frau gewesen wäre, der so etwas laut in der Öffentlichkeit äußerte.
Letzten Endes entschied sich Sebastian für eine signierte Lithografie, die einen Mann und einen Jungen zeigte, die auf einem großen Felsen am Ufer des Payette River standen und angelten. Als sie sich Passepartouts und Rahmen anschauten, fragte er sie nach ihrer Meinung und nahm ihre Vorschläge an. Er zahlte einen Aufschlag, damit das Bild noch bis Weihnachten fertig wurde. Die Lieferung würde problematisch werden, da die Zeit knapp war, und bevor Clare sich davon abhalten konnte, bot sie sich an, es an Heiligabend abzuholen.
Er schaute sie aus den Augenwinkeln an und runzelte die Stirn. »Nein, danke.«
Sie lächelte zu ihm auf. »Ich verziere es auch nicht mit pinkfarbenen Schleifchen. Ich schwör’s.«
Er dachte über ihr Angebot nach, während er in seine Gesäßtasche
griff und seine Brieftasche herauszog. »Wenn es wirklich kein Problem für dich ist.«
Sie hatte an dem Tag eine Signierstunde und wäre sowieso unterwegs. »Nein.«
»Okay, danke. Das ist eine Last weniger.« Er reichte eine Platin-Visakarte über den Tresen, und als der Ladenbesitzer damit verschwand, fügte Sebastian hinzu: »Wenn ich dich jetzt küssen könnte, würde ich es tun.«
Sie drehte sich zu ihm und hielt ihm gnädig wie eine Königin die Hand hin. Doch statt sie auf die Fingerknöchel zu küssen, drehte er ihre Hand um, schob ihren Mantelärmel hoch und legte den Mund auf die Innenseite ihres Handgelenks. »Danke, Clare.«
Ihre Haut kribbelte am ganzen Arm, und sie zog hastig die Hand weg. »Gern geschehen.«
Die Stunde wurde zu drei Stunden, mit einem Abstecher zu P. F. Chang’s im alten Lagerhausviertel. Sie bekamen einen Tisch im hinteren Teil des China-Restaurants zugewiesen, und Clare entging das Interesse der Frauen nicht, das ihnen auf dem Weg durch den Raum folgte. Es war nicht das erste Mal an dem Tag, dass ihr Sebastians Wirkung auffiel, die verstohlenen Blicke und das unverhohlene Starren, als sie die Straße entlang oder durch die Galerie gegangen waren. Sie fragte sich, ob er bemerkte, wie die Frauen auf ihn reagierten. Anscheinend nicht, aber vielleicht war er einfach daran gewöhnt.
Sie begannen die Mahlzeit mit Wraps mit Hühnchen- und Salatfüllung, und wäre Clare mit ihren Freundinnen hier gewesen, hätte sie die Vorspeise als Hauptgericht bestellt und als Mittagessen bezeichnet. Nicht so Sebastian. Er bestellte noch
Hühnchen mit Orangenschale, Moo Goo Gai Pan, Schweinefleisch mit gebratenem Reis und Sichuan-Spargel dazu.
»Isst außer uns noch jemand mit?«, frotzelte sie, als die Hauptgerichte auf dem Tisch standen.
»Ich hab solchen Hunger, dass ich ein Pferd verdrücken könnte.« Er schüttelte den Kopf und lud sich Orangenhühnchen auf. »Das nehm ich zurück. Pferdefleisch ist zu zäh.«
Clare löffelte sich eine Portion Reis auf den Teller, und sie tauschten die Gerichte über den Tisch hinweg. »Und du weißt das, weil du schon Pferdefleisch gegessen hast?«
»Gegessen?« Ironisch blickte er von dem Reis auf. »Schon eher drauf rumgekaut.«
Sie rümpfte die Nase. »Wo denn?«
Er tat sich Moo Goo Gai Pan auf und reichte es an Clare weiter. »Ich war mal in der Mandschurei.«
Sie hielt entsetzt die Hand hoch und lehnte jedes weitere Essen ab. »Im Ernst?«
»Ja. In Nordchina kann man auf dem Markt verpacktes Hunde- und Affenfleisch
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