Frisch verliebt - Mallery, S: Frisch verliebt
Musik hören“, antwortete sie und wechselte dann wieder in die Gebärdensprache, die sie schneller konnte. „Früher war es mir egal, ob ich hören kann oder nicht, denn es gab nichts, was ich unbedingt hören wollte. Aber jetzt will ich sie spielen hören.“
War Claire daran schuld? Er hatte mit ihr über diese Operation gesprochen und ihr auch erklärt, warum es keine so gute Idee war. Und trotzdem hatte sie mit Amy darüber geredet?
„Daddy, bist du wütend?“
Er war mehr als wütend, aber nicht auf seine Tochter. „Ich bin nur überrascht. Wir haben doch von Abwarten gesprochen. Ich denke, wir sollten warten.“
„Es ist aber mein Gehör“, erwiderte sie. „Da muss ich doch auch entscheiden können.“
Das klang nun ganz und gar nicht nach Amy. Sie musste entweder durch eine ihrer Freundinnen oder durch Claire an diese Möglichkeit erinnert worden sein.
„Du bist acht. Da kannst du über eine Operation nicht entscheiden.“
„Das verstehst du nicht, Daddy. Du kannst es nicht verstehen.“
Autsch. Schloss sie ihn jetzt aus?
Er wollte ihr sagen, dass er der Erwachsene war und die Entscheidungen traf, die er für richtig hielt. Aber was hätte das gebracht? Wenn Amy das Implantat aus welchen Gründen auch immer ernsthaft wollte, dann würden sie sich damit beschäftigen müssen. Ein Streit würde dabei überhaupt nicht helfen.
Schnell erteilte er sich selbst seine Standardlektion, die da lautete „Ich bin der Erwachsene“, und das bedeutete, dass er seine Gefühle unter Kontrolle halten musste. Dann sagte er: „Amy, du musst jetzt mit dem Frühstück fertig werden und in die Schule gehen. Ich muss darüber nachdenken. Lass uns später reden.“
Sie machte ein finsteres Gesicht, nickte dann aber langsam.
Das war nun wahrlich kein großartiger Sieg. Es regte ihn aber auch so auf, dass er am liebsten mit der Faust eine Wand durchschlagen hätte, und das wäre mit Sicherheit keine reifere Entscheidung.
Er fuhr seine Tochter zur Schule und rief anschließend im Büro an, um mitzuteilen, dass es später würde. Zu Nicoles Haus brauchte er weniger als zwanzig Minuten, und er nutzte die Zeit, sich in seiner Wut immer weiter hochzuschaukeln, bis sie so angeschwollen war, dass sie fast aus dem Wagen geschwappt wäre.
Er ging mit schnellen Schritten zur Haustür und betätigte die Klingel. Claire öffnete.
„Wir müssen reden“, sagte er und schob sich gleichzeitig an ihr vorbei ins Haus hinein. „Jetzt.“
„Ja, und natürlich ist es nicht zu früh“, erwiderte sie. „Danke der Nachfrage. Und wie geht es dir?“
Ihm fiel nun zwar auf, dass er einfach eingedrungen war, aber es war ihm egal. „Dass du mit mir geschlafen hast, gibt dir nicht das Recht, meiner Tochter den Kopf zu verdrehen. Es bedeutet nicht, dass du damit automatisch Zugang zu ihrem oder meinem Leben hast. Ist das klar?“
„Vollkommen, aber ich weiß nicht, wovon du sprichst. Da wir aber beim Thema sind, du warst es, der mich gebeten hat, deine Tochter zu betreuen, womit ich dir einen Gefallen getan habe. Ich glaube schon, dass du mir damit auch einen Zugang zu ihrem Leben eröffnet hast, wenn auch nicht zu deinem. Was also ist jetzt das Problem?“
Sie klingt so unschuldig, dachte er und hasste sich dafür, wie sehr ihm gefiel, dass sie unter ihrem Pyjama keinen BH trug. In seiner Psyche schien es Anteile zu geben, die wirklich nur eins im Sinn hatten, nämlich nackt zu sein.
„Amy wünscht sich ein Cochleaimplantat, weil sie deine Musik hören will. Früher hatte sie nie den Wunsch. Es ist schon ziemlich krank, ein Kind zu benutzen, um sich selbst besser zu fühlen.“
Claire fühlte den Boden unter ihren Füßen wanken und fragte sich, ob es ein Erdbeben war.
Anscheinend war das nicht der Fall, denn Wyatt schien insoweit gar nicht beunruhigt, auch wenn er sich sehr gut dabei zu fühlen schien, das Schlimmste von ihr zu denken.
„Ich bezweifle, dass du mir glauben wirst“, begann sie und war entschlossen, nicht wütend zu werden, „aber ich habe mit Amy niemals über Cochleaimplantate gesprochen. Sie hat nie erwähnt, dass sie eins haben wollte, und ich habe es ganz bestimmt nicht getan. Bis zu dem Zeitpunkt, als du und ich bei unserem Date darüber geredet haben, habe ich sowieso kaum etwas davon gewusst. Es ist ganz und gar deine Angelegenheit zu entscheiden, was medizinisch bei deiner Tochter unternommen wird oder nicht. Ob sie im üblichen Sinne meine Musik hören kann oder nicht, hat für mich keinerlei
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