Frisch verliebt - Mallery, S: Frisch verliebt
dass der Sarkasmus ganz allein von dir stammt.“
„Ich trage ihn mit Stolz wie ein Ehrenzeichen.“ Nicole verlagerte ihre Position und zuckte zusammen. „Was willst du hier, Claire?“
„Jesse hat mich vor ein paar Tagen angerufen und mir von der Operation erzählt. Sie hat mir gesagt, du würdest meine Hilfe brauchen.“ Den Rest hätte Claire am liebsten verschwiegen, da es offensichtlich nicht der Wahrheit entsprach, aber ihr fiel nicht ein, wie sie es hätte vermeiden können. Immerhin hatte sie Wyatt bereits davon erzählt und sie konnte davon ausgehen, dass er es an Nicole weitergegeben hatte. „Sie sagte, es täte dir leid, dass wir uns so entfremdet haben, und dass du dir wünschst, wir könnten wieder eine Familie sein.“
Sie sprach, ohne dass ihre Stimme zitterte und verriet, wie sehr sie litt. Aber der Schmerz war da, wenn auch nicht sichtbar, denn wenn es eins gab, das sie sich wünschte, dann war es, die Verbindung wiederherzustellen.
„Und du hast ihr das abgenommen?“ Nicole schüttelte den Kopf. „Ernsthaft? Nach all der Zeit glaubst du, dass ich plötzlich meine Meinung über dich geändert habe?“
„Deine Meinung über das Bild, das du dir von mir machst“, konterte Claire. „In Wirklichkeit kennst du mich gar nicht.“
„Das gehört zu den wenigen Segnungen meines Lebens.“
Claire überhörte das. „Nun bin ich einmal hier, und ganz offensichtlich brauchst du Hilfe. Ich sehe niemanden sonst, der sich um den Job reißt. Wie es aussieht, bleibt dir also gar nichts anderes übrig.“
Nicoles Miene wurde hart. „Ich habe Freunde, die ich anrufen könnte.“
„Aber das wirst du nicht tun, denn du hasst es, jemandem etwas schuldig zu sein.“
„Wie du es gesagt hast, in Wirklichkeit kennst du mich gar nicht.“
„Ich kann es vermuten.“ Auch Claire hasste es nämlich, sich jemandem verpflichtet zu fühlen.
„Tu nicht so, als hätten wir etwas gemeinsam“, giftete Nicole. „Du bedeutest mir nichts. Bitte, wenn du meinst, du könntest helfen, dann hilf. Mir ist es gleich. Nur gut, dass ich nicht davon ausgehe, du könntest zu mehr fähig sein, als dich von anderen bedienen zu lassen, daher sind meine Erwartungen auch ziemlich niedrig.“
Betrübt dachte Claire, dass alles völlig anders war, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie hatte gehofft, dass sie es schaffen könnten, wieder einen Weg zueinander zu finden. Nicole und sie waren doch Zwillinge ... nur zweieiige zwar, aber von Geburt an miteinander verbunden. Hatten die lange Zeit der Trennung, die Wut und die Missverständnisse dieses Band tatsächlich zerrissen?
Sie war hier, um es herauszufinden.
„Du wirst dich sicher ausruhen wollen“, meinte sie. „Ich werde dich nicht weiter stören.“
„Gute Idee.“
Das überhörte Claire und wollte sich schon zurückziehen, als ihr etwas einfiel. „Hast du eigentlich einen Reinigungsservice?
„Für das Haus? Nein. Ich habe es geschafft, alles selbst zu schrubben.“
„Oh. In Ordnung. Ich meinte aber nicht ... ach, vergiss es.
Nicole sah sie prüfend an. „Was hast du gemeint?“ Dann fiel ihr Blick auf die Bluse in Claires Hand. „Du meinst eine Reinigung, die meine Sachen wäscht?“
Claire trat einen Schritt zurück. „Es ist nicht so wichtig.“
„Ja, natürlich. Lass mich raten. Von einer Pianoprinzessin kann man ja unmöglich erwarten, dass sie selbst ihre Kleidung in Ordnung hält. Ich könnte dir ja erklären, wie man die Waschmaschine bedient, aber das wird wahrscheinlich auch nicht helfen, oder? Viel zu viel Seide und Kaschmir, möchte ich wetten. Arme, arme Claire. Noch nie hat sie eine Jeans besessen. Da wirst du dich jede Nacht in den Schlaf weinen müssen.“
Claire bemühte sich, die schmerzenden Pfeile abzuwehren, die da auf sie einprasselten. „Ich werde mich nicht für mein Leben entschuldigen. Es ist anders als deins, aber deshalb nicht weniger wertvoll. Du hast dich verändert, Nicole. Ich habe nie vergessen, wie wütend du auch früher schon warst, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass du böse gewesen wärest. Wann ist es dazu gekommen?“
„Sieh zu, dass du hier verschwindest, aber sofort.“
Claire nickte. „Ich bin am andern Ende des Flurs, falls du mich brauchst.“
„Das wird nicht vorkommen. Ich würde lieber verhungern, als mich mit dir abzugeben.“
„Nein, das würdest du nicht.“
Ohne ihre brennenden Augen oder das niederschmetternde Gefühl, einen Verlust erlitten zu haben, weiter zu beachten, ging
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