Frisch verliebt - Mallery, S: Frisch verliebt
die Torte. „Hallo. Diese hier.“
Claire griff nach einer Serviette und holte das Stück aus der Auslage. Sie reichte es dem Mädchen und ging nach hinten, um den Kaffee zu holen.
Dort standen vier Dispenser in einer Reihe. Sie nahm eine Tasse und schaffte es auch, Kaffee einzugießen, bis sie fast voll war. Als sie damit aber zu dem Teenager zurückkehrte, starrte das Mädchen sie nur an.
„Mittelgroß, nicht klein, und richtigen Kaffee, keinen koffeinfreien. Was ist mit Ihnen los?“
Claire sah erst auf die Tasse, dann zurück zu den Stapeln mit den verschiedenen Größen. Gleichzeitig entdeckte sie ein kleines Schild über dem Dispenser, den sie benutzt hatte, und auf dem stand „koffeinfrei“.
Der Schmerz in ihrer Brust verstärkte sich und sie konnte nicht mehr atmen. Egal wie viel Luft sie auch einsaugte, sie gelangte nicht in ihre Lungen. Jeden Moment musste sie jetzt ohnmächtig werden und dann würde sie sterben.
„Ich kann nicht ...“, keuchte sie und stellte den Kaffee auf die Ladentheke. „Ich kann es einfach nicht.“
„Was ist mit Ihnen?“, fragte das Mädchen. „Bekommen Sie einen Anfall? Hat sie jetzt einen Anfall gekriegt? Kann ich erst noch meinen Kaffee haben?“
In ihren Ohren war ein Summen. Claire taumelte zurück und lehnte sich an die Wand.
Maggie lief zu ihr. „Was haben Sie?“
„Ich kann nicht ... atmen. Panik...attacke.“
„Sie sind ja schlimmer, als Nicole erzählt hat. Sehen Sie einfach zu, dass Sie hier verschwinden. Gehen Sie. Sie verschrecken unsere Kunden.“
Es war genauso wie damals, als sie das letzte Mal auf der Bühne gestanden hatte, nur dass diesmal niemand herbeistürzte, um ihr zu helfen. Niemand drängte sie jetzt, sich hinzulegen oder Wasser zu trinken. Es war, als existiere sie überhaupt nicht.
Während sie so an der Wand lehnte und nach Atem rang, sah sie zu, wie Kunde um Kunde bedient wurde und den Laden verließ. Sie gingen ihrer Wege und hatten ein Leben. Und was hatte sie?
Noch immer keuchend ließ sie sich an der Wand nach unten in die Hocke gleiten. In ihren Augen brannten Tränen. Das ist bestimmt nicht, was ich mir wünsche, dachte sie grimmig. Sie wollte mehr sein als nur eine Verrückte mit Mutantenhänden. Stark und leistungsfähig wollte sie sein. Einfach normal. Aber wie?
Dann versuchte sie sich klarzumachen, dass sie unabhängig davon, wie sie sich fühlte, in Wirklichkeit doch atmete. Andernfalls wäre sie schon längst tot. Bei Panikattacken ging es bloß um Gefühle. Es waren Empfindungen, die zwar eine biologische Reaktion bewirkten, aber keine biologische Ursache hatten.
Am liebsten hätte sie sich so klein wie möglich zusammengekauert, bis es vorüber war. Stattdessen zwang sie sich aber aufzustehen. Nach zwei langen, tiefen Atemzügen ging sie zur Theke zurück und rief die nächste Nummer auf.
Ein Mann trat vor. „Ein Dutzend Donuts“, sagte er. „Sie sind für die Sekretärinnen in meinem Büro, deshalb viele mit Schokolade bitte.“
Sie nickte und nahm sich eine Schachtel. Nachdem sie zwölf Donuts hineingelegt hatte, die meisten mit Schokolade, ging sie zur Registrierkasse und sah auf die Liste. Es gab einen Sonderpreis für ein Dutzend.
„Fünf-fünfzig“, sagte sie.
Er gab ihr zehn.
Claire legte das Geld in die Kasse, nahm das Wechselgeld und gab es ihm. Der Mann lächelte sie an.
„Danke.“
„Nichts zu danken.“
Sie sah nach der nächsten Nummer und rief sie auf. Noch immer tat ihr die Brust weh und das Atmen fiel ihr schwer, aber sie machte weiter, ließ Sorgfalt walten, versuchte zu lächeln und jedem Kunden das zu geben, was er oder sie verlangte.
Aus einem Kunden wurden zwei, und aus zwei wurden fünf. Schließlich wurde es im Laden ruhiger. Als sie endlich allein waren, sah Maggie sie an.
„Alles in Ordnung mit Ihnen?“
Claire nickte. „Das mit der Panikattacke tut mir leid. Das kommt hin und wieder bei mir vor.“
Neuerdings eigentlich ständig, aber das wollte sie jetzt nicht vertiefen.
„Aber Sie haben nicht aufgegeben“, sagte Maggie. „Das ist doch etwas. Und Sie haben uns geholfen. Also danke dafür.“
„Gern geschehen!“
„Sie können jetzt gehen. Von jetzt an bis zum Mittagessen wird nicht viel los sein. Und dann wird Tiff kommen.“
Claire nickte und ging nach hinten. Nachdem sie sich Schürze und Haarnetz ausgezogen hatte, nahm sie ihre Handtasche und ging zum Auto.
Sie ließ den Motor an, lehnte sich dann aber im Sitz zurück, denn sie war völlig erschöpft.
Weitere Kostenlose Bücher