Frisch verliebt - Mallery, S: Frisch verliebt
den Schwestern. „Ich weiß nicht, wie ich dir klarmachen soll, wie enttäuscht ich von dir bin, Claire. Einfach so zu verschwinden, ohne jede Warnung. Zumindest hättest du mir doch auf dem Anrufbeantworter hinterlassen können, dass du weg bist. Meine Anrufe hast du völlig ignoriert. Hast du geglaubt, dass es so gehen kann? Dass ich dich einfach in Ruhe lasse?“
Claire nahm die Schultern zurück und hob das Kinn. „Es gab einen Notfall in der Familie“, sagte sie und betete, dass Nicole jetzt nicht mit irgendeiner bissigen Bemerkung dazwischenfuhr, um zu verkünden, dass sie hier nicht unbedingt willkommen war.
Glücklicherweise aber sagte ihre Schwester diesmal nichts.
Lisas Blick zuckte hinüber zu Nicole und dann gleich wieder zurück zu Claire. „An dieser Front scheint ja nun alles in Ordnung zu sein. Ich nehme an, du wirst in Kürze nach New York zurückkehren?“
„Nein, das werde ich nicht.“
„Und was ist mit dem Terminplan für den Herbst? Schon jetzt sind es nur halb so viele Termine, wie es sein sollten. Wenn du dich nicht in der Öffentlichkeit zeigst, werden die Leute vergessen, wer du bist. Brillanz allein reicht nicht. Das weißt du. Und du weißt auch, wie schnell man alles wieder verlieren kann.“
Es war die Botschaft, die Claire seit Jahren zu hören bekam. Einen Universitätsprofessor hatte sie einmal über das Gesetz klagen hören, dass „von der Bildfläche verschwindet, wer nicht veröffentlicht“. Auf Claire gemünzt hieß das wohl „Wer nicht auftritt, tritt ab“.
„Im Moment kann ich gar nichts annehmen“, sagte sie bestimmt. „Und ich habe keine Ahnung, wann ich wieder für irgendwelche Terminplanungen zu haben bin.“
Lisa riss die Augen auf. „Das meinst du doch nicht im Ernst. Das kannst du nicht machen.“
Am liebsten hätte Claire sie gefragt, ob sie sich noch an das letzte Mal erinnerte, als sie auf der Bühne gestanden hatte. Wie sie zusammengebrochen war und wie demütigend es war, als die Panik sie besiegt hatte. Aber sie war sich nur allzu bewusst, dass Nicole zuhörte, und sie schämte sich zu sehr, ihrer Schwester die Wahrheit zu sagen.
„Es gibt Menschen, die auf dich angewiesen sind“, fuhr Lisa fort. „Du bist auch ein wirtschaftliches Unternehmen. Das Leben dieser Leute steht auf dem Spiel.“
Ein weiteres Argument, das Claire schon ein Dutzend Mal gehört hatte. Konnte Lisa sich nicht einmal etwas anderes einfallen lassen?
„Das bist doch in erster Linie du selbst“, fuhr sie Lisa an. „Falls du mir als Managerin kündigen möchtest, bitte, ich habe kein Problem damit.“
Lisa trat einen Schritt zurück. „Nein. So habe ich das nicht gemeint.“ Sie räusperte sich. „Claire, meine Liebe. Ich hatte doch keine Ahnung, dass es dich so mitgenommen hat. Natürlich brauchst du Zeit für deine Familie. Ich werde dich nicht drängen.“
Es war ganz erstaunlich, wie Lisa zwischen „guter Bulle“ und „böser Bulle“ wechseln konnte und sich dabei nicht vertat.
Claire hasste das. Sie hasste es, Menschen enttäuschen zu müssen und hasste es, nicht auftreten zu können. Aber im Augenblick war das der Punkt, an dem sie stand. Sie saß mit einem Talent in der Falle, das sie nicht nutzen konnte. Sie hatte sich völlig verausgabt und war nicht mehr bereit, in die Tretmühle zurückzukehren, die ihr bisheriges Leben ausmachte. Sie war es leid, Entscheidungen zu treffen, die auf dem beruhten, was andere wollten. Was war denn mit ihren eigenen Wünschen?
Eine hervorragende Frage. Wenn sie doch nur auch eine Antwort darauf hätte.
„Selbst wenn du mich drängst“, sagte sie. „Ich werde meine Meinung nicht ändern. Ich werde hierbleiben, bis es Nicole wieder besser geht. Vielleicht bleibe ich auch länger, das weiß ich noch nicht. Jedenfalls bin ich nicht bereit, mich in irgendeiner Weise für den Herbst oder wann immer zu verpflichten. Ich lasse mich nicht drängen. Daher musst du nichts weiter tun, als alles komplett abzublasen.“
Lisa starrte sie eine ganze Zeit lang nur an. „Also gut. Ich sehe, du bist nicht bereit, nach Hause zu kommen. Es ist in Ordnung. Ich werde warten. Du weißt, wie du mich erreichen kannst.“
Claire nickte, ohne etwas zu sagen. Sie blieb stehen, wo sie stand, bis Lisa gegangen war. Dann sank sie aufs Sofa und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen.
„Beeindruckend“, meint Nicole. „Du hast ihr ja richtig Paroli geboten.“
„Ja, nicht wahr?“ Claire ließ die Hände in den Schoß fallen. „Ich
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