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Frische Spur nach 70 Jahren

Frische Spur nach 70 Jahren

Titel: Frische Spur nach 70 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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würde ich sagen.
Jedenfalls was die Verbrechen eins bis elf betrifft. Über die berichtet Beate
in Band eins ausführlich. Sie fand das alles geil. So drückt sie sich natürlich
nicht aus — damals war das noch das Wort für lüstern und brünstig. Beate nennt
ihre Verbrechen ,sinnerquickend’. Was mich geradezu umhaut, ist die
Detailgenauigkeit, mit der die Verbrechen von den heutigen Nachahmern
wiederholt werden. Als da sind: die B & C-Visitenkarten, die
hinterlassen werden, die grünen Strumpfmasken, die Pistolen, die steifen Knie —
denn witzigerweise ist auch Claus Lohwinkel damals mit linkem Steifknie
rumgehüpft. Aber das war gespielt. Seine Knie waren gesund. Tja, und dann die
Geldbeute. Hört und staunt, Freunde: Bei einem Banküberfall hatten Beate und
Claus genau 19 000 Mark erbeutet, bei dem andern 31 800 — was für damalige Zeit
eine Riesensumme war. Denn Ende 1928 war ja die Inflation längst vorbei und die
Weltwirtschaftskrise stand noch bevor. Tja, und dann haben sie einen
Jugendlichen ausgeraubt: im Vorraum einer Bank. Der Jüngling wollte 900 Mark
einzahlen.“
    „Von Einzahlung“, sagte
Klößchen, „kann bei mir keine Rede sein. Ich habe abgehoben.“
    „Dass es andersherum lief, war
für die jetzigen B & C nicht entscheidend“, stellte Tim fest „Aber sie
halten sich an die Zahl. Sie ahmen nach so gut es geht.“
    Karl nickte. „Gewisse
Abweichungen sind natürlich unvermeidlich. Beispielsweise war der damalige
Rosenzüchter kein General, sondern ein Rittmeister a. D. und er hat auch nicht
Rosen gezüchtet, sondern Orchideen. Und bei dem Überfall auf dem Friedhof war’s
1929 kein Bauunternehmer, sondern ein Metzgermeister, der zu Grabe getragen
wurde.“
    „Egal wie oder was“, rief Gaby,
dämpfte aber sofort die Stimme. „Es zieht mir auch so die Seidensocken aus. Die
beiden Nachahmer müssen eine enorme Kenntnis von ihren Vorbildern haben.
Schwerverbrecher als Vorbild — als Idol! Igitt!“
    „Und ein Wahnsinn“, meinte Tim,
„wie die ausbaldowern müssen, um was Ähnliches wie damals zu finden. Denn es
sind ja keine gebräuchlichen Verbrechen, sondern zum Teil unübliche Taten.“
    „Beate und Claus“, sagte Gaby,
„können nicht dicht gewesen sein. Nein, die hatten einen Kabelbrand in der
Waffel. Einen Rollstuhlfahrer zu drangsalieren, einem Pferd Mähne und Schwanz
abzuschneiden — das ist doch total abartig.“
    Tim grinste. „Heutzutage würden
sich Seelenklempner um die beiden kümmern. Ihre Schuldfähigkeit würde man erst
mal beiseite stellen und stattdessen die Probleme untersuchen, an denen die
beiden leiden. Böse Umwelt ist schuld, die Eltern, der Erzieher im Kindergarten
oder so. Zu viele frühkindliche Ohrfeigen. Oder zu wenige. Tja, heute hätten
Beate und Claus das nächste Weihnachtsfest noch erlebt.“
    „Garantiert sogar! Zumal wir
glücklicherweise keine Todesstrafe mehr haben“, sagte Gaby kämpferisch. „Oder
bist du etwa für rasches Aburteilen?“
    „Im Gegenteil, Pfote! Ich will
nur deutlich machen, wie sich die Zeiten ändern. Aber das jetzige B
& C-Paar hat offenbar eine nostalgische Sehnsucht nach den goldenen
Zwanzigern und den scheinbar romantischen Abenteuern — die auch nach 70 Jahren
nichts anderes sind als ekelhafte Verbrechen. Deine Entdeckung, Karl, reißt ja
buchstäblich den Vorhang zur Seite.“
    „Wie meinst du das?“, fragte
Klößchen.

    „Wir können nachlesen, wie es
weitergeht. Was kommt? Es steht in Band zwei. Denn B & C-Aktuell
werden sich bestimmt an die Vorlage halten. Die beiden sind Kenner. Ihre Infos
haben sie natürlich aus alten Zeitungen und…“
    „Moment!“, fiel ihm Karl ins
Wort. „Da fällt mir was Wichtiges ein. Aus den damaligen Zeitungsberichten
können sie sicherlich vieles wissen, aber nicht alles. Zumindest nicht aus den
Berichten, die ich gelesen habe. Denn da war zum Beispiel nie von grünen Masken
die Rede. Mal heißt es schwarze Masken, mal farbige. Dass es grüne
Strumpfmasken waren, steht nur im Tagebuch.“
    Mich beißt der Osterhase,
dachte Tim. Wenn Karl Recht hat, bedeutet das, B & C-Aktuell kennen
die Tagebücher. Oder haben andere Tageszeitungen damals genauer berichtet? Wir
werden sehen. Jetzt heißt es: Nase auf die Fährte und los!
    Gaby begann zu kichern. „Tim,
weißt du, wie du jetzt aussiehst? Mimisch, meine ich. Wie ein Jagdhund, der
Tante Hilde gleich in die Wade beißt — falls sie die Tagebücher nicht
rausgibt.“
    „Ich beiße zwar keine Omis.
Aber auf die

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