Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frische Spur nach 70 Jahren

Frische Spur nach 70 Jahren

Titel: Frische Spur nach 70 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
Mutter lebt nicht mehr und
Vater ist Frührentner. Er könnte auskommen mit seiner Rente. Aber er macht
Schulden. Und für die muss ich aufkommen. Sie wissen ja, wie das ist. Solange
er nicht entmündigt ist, gilt das alles, was er anstellt — rechtlich. An mich
hält man sich dann. Aber ich habe auch Anrecht auf mein Leben. Und dieses Geld
will ich in Sicherheit bringen, will’s vor ihm retten. Deshalb habe ich den
Scheck nicht auf mein Konto eingezahlt, sondern einen Barscheck eingelöst und
das Geld sozusagen in den altbewährten Sparstrumpf gesteckt.“
    „In den Karton hinter Klaus’
Klavier.“
    „Richtig.“
    „Arbeiten Sie?“
    „Ich bin gelernte Drogistin,
habe aber jetzt eine Handelsvertretung für kosmetische Produkte.“
    Hilde überlegte. Irgendwas
stimmte nicht an dieser Geschichte. Da war doch was, das nicht hinein passte
und... Ach ja!
    „Ihr Lotterie-Gewinn, Frau
Schollgast-Öhmke, erklärt aber nicht das, was ich außerdem in dem Karton
gefunden habe.“
    „Und was ist das?“
    „Zwei Tütchen mit Rauschgift.
Vermutlich Heroin.“
    „Davon hat Klaus mir erzählt.
Die Tütchen — was auch immer sie enthalten mögen — sind einem Gast aus der
Tasche gefallen. Im Kakadu.“
    So hieß die Bar, in der Hildes
Enkel spielte.
    „Aus der Tasche gefallen?“
    „Ja. Einem Typ, mit dem man
sich besser nicht anlegt. Klaus meint, der gehört vielleicht zur russischen
Mafia. Jedenfalls ertappt man so einen nicht dabei, dass er harte Drogen in der
Tasche hat. Klaus hat die Tütchen deshalb unbemerkt an sich genommen. Auch aus
Neugier. Er weiß ja nicht, was wirklich drin ist.“
    „Vermutlich kein Zucker.“
    „Nein, vermutlich nicht. Klaus
will es jemandem zeigen, der sich damit auskennt. Nur aus Neugier.“
    Hilde spürte, wie ihre
Anschuldigungen gegen Barbara zusammenschmolzen wie Eiswürfel in ‘ner heißen
Pfanne. Aber zornig war die betagte Malerin noch immer.
    „Bleibt festzuhalten“, sagte
sie, „dass es nicht gut sein kann, wenn mein Enkel in einem Etablissement
arbeitet, wo den Gästen Drogen aus der Tasche fallen.“
    „Drogen sind doch heutzutage in
so vielen Taschen, Frau Nocke. Wenn Sie noch im Schuldienst wären, könnten Sie
ein Lied davon singen. In der Raucherecke des Pausenhofs werden nicht nur
Zigaretten geraucht.“
    „Das fing leider schon zu
meiner Zeit an. Also, jetzt muss ich weitermachen. Wiederhören!“ Sie legte auf.
     
    *
     
    In der Münzrieder Straße 24 a,
der linken Häfte eines Doppelhauses aus dem Jahre 1949, hatte Klaus Nocke das
Fenster geschlossen — während Barbara telefonierte.
    Jetzt legte sie auf. Ein
Lächeln huschte über ihr etwas derbes Gesicht.
    „Ziemlich hartnäckig, deine
Oma. Sie kann mich nicht leiden.“
    „Zum Teufel mit der Alten!“
    „Wie hat sie denn das Geld
entdeckt?“
    „Das wundert mich auch. Sie
stöbert sonst nicht.“
    „Jedenfalls traut sie dir nicht
zu, dass der Koks zum Eigenverbrauch ist.“
    „Für uns beide. Nein, das traut
sie mir nicht zu. Sie würde sich sofort fragen, was sie bei meiner Erziehung
falsch gemacht hat.“
    Barbara lachte auf. „Sie konnte
ja nicht ahnen, dass wir uns begegnen.“
    Sie trat zu Klaus und legte ihm
die Arme um den Hals. Hildes Enkel neigte den Kopf und küsste seine Freundin
auf den nach Shampoo duftenden Mittelscheitel.

6.
Schandfleckaus der Vergangenheit
     
    Die Luft über Kleinhaderstetten
— einem nordöstlichen Stadtrandviertel — roch nach Gewitter. Heißer Wind wehte.
In der Ferne grummelte es. Gaby, Tim und Karl trugen — zum Teil knallbunte —
Regenjacken. Klößchen war nur mit einem ziemlich ausgeleierten Sweatshirt gegen
eventuelle Regengüsse ausgerüstet. Seine neuen Einlegesohlen, die er häufig
erwähnte, boten keinerlei Schutz. Auch der Pullover hatte ihm nur Ärger
bereitet, nämlich seine Mutter vorhin zu der Frage veranlasst, ob er sich nicht
schäme, so rumzulaufen — zumal mit ihr, an einem Samstagvormittag und in der
Innenstadt.
    „Deine Eleganz, Mutti“, hatte
Klößchen erwidert, „bügelt das leicht wieder aus. Außerdem fahren wir ja im
Jaguar vor. Jeder kann sich da denken, dass ich mich in teuersten Gecko-Zwirn
schmeißen könnte, wenn das meine innere Einstellung wäre. Aber ich bin mehr für
praktische Schlichtheit. Und wenn wir zusammen familienmäßig essen gehen — dann
sehe ich ja auch immer aus wie ein echter Fabrikantensohn.“
    Jetzt stoppten TKKG ihre Bikes
vor dem Grundstück Gleiswerk-Straße 11.
    Ein Regentropfen fiel auf

Weitere Kostenlose Bücher