Frische Spur nach 70 Jahren
Klößchen.
„Bei der Weihnachtsfeier der Polizei werden dort immer die schönsten Stücke
ausgesucht.“
„So ist es leider nicht. Aber
ich werde deinen Vorschlag unterstützen. Die Porzellanfigur wurde bei einer
Haussuchung beschlagnahmt. Es ging jedoch um andere Sachen, um Juwelen. Im Zuge
der Ermittlung wurden aber nicht nur die eingepackt. Der Verdächtige ist
tatsächlich ein Antiquitäten-Händler. Herbert Kotzbühl. Vorbestraft und mit
allen Wassern gewaschen. Er kauft Sore ein, Diebesgut. Aber wegen der Juwelen
ist ihm nichts nachzuweisen.“
„Wieso ist dann die trabende
Lola noch hier?“, fragte Tim.
„Die Haussuchung war erst vor
einigen Tagen. Kommenden Montag wird Kotzbühl seine Sachen abholen.“
Tim fühlte, wie das Jagdfieber
seine Temperatur steigen ließ, bemühte sich aber, gelassen zu bleiben.
„Steht Kotzbühl im Telefonbuch,
Frischy, oder sagen Sie uns die Adresse?“
Abwägend betrachtete der junge
Kommissar seine Besucher. Harmlose Unschuldsengel erwiderten seinen Blick.
„Ihr wollt Kotzbühl nach dem
Woher der Lola-trabt-Figur fragen?“
„Aber freundlich“, nickte Tim.
„Wenn er uns dann den Einbrecher nennt, rufen wir Sie an. Wenn Kotzbühl mauert,
verweisen wir auf Sie und behaupten, dass Sie ein unberechenbarer, zur
Brutalität neigender Bulle sind.“
Frischy seufzte. „Da ich euch
leider den Namen verraten habe, ist die Adresse leicht rauszukriegen. Also, was
soll’s!“
11. Inferno
im Pfarrhaus
Bis zu dem Stadtrandviertel, wo
Kotzbühl seinen Laden hatte, war’s weit.
Unterwegs erzählte Karl, dass
er Hilde damals nichts von dem Unversehrtheits-Wert der Porzellanfigur gesagt
hatte.
„Ich wollte Tante Hilde nicht
traurig machen. Denn so ein Pferdeohr kann man nicht anlöten. Und wenn’s eine
Porzellan-Brennerei trotzdem macht, ist es doch nur Reparatur und nicht
dasselbe. Kunstsammler haben da ihren speziellen Tick. Nehmen wir einen Sammler
historischer Waffen. Wenn der eine intakte, also schussfähige
Vorderladerpistole von 1770 hat — könnte er damit ballern. Aber der Wert wäre
hin. Sie muss genau so sein wie damals nach dem letzten Schuss: also 1777, am
5. August beim Duell auf den Rieselfeldern hinter dem Rittergut Klinkerwitz.“
„Ist das verbürgt?“, fragte
Klößchen.
„War nur ein Beispiel.“
„Verstehe.“
Tim, der heute nicht sein
Rennrad benutzte, sondern auf dem Mountainbike fuhr, war seinen Freunden um
zwei Radlängen voraus und dachte über die Strategie nach, über das taktische
Vorgehen bei Kotzbühl. Ein harter Brocken wäre der, hatte Frischy erklärt. Aber
das konnte TKKG nicht schrecken. Tim ließ den Blick wandern.
Sie waren jetzt im richtigen
Stadtviertel. Es hieß immer noch Altkirchen, obwohl die alte gotische Kirche
1944 zerbombt worden war und man an anderer Stelle eine neue errichtet hatte:
nicht gotisch, sondern post-modern und wenig gemütlich.
Allerdings — und bei dem
Gedanken grinste der TKKG-Häuptling — soll man ja auch beim Beten nicht
schlafen.
Als hätte er Gaby seine
Überlegungen per Luftpost geschickt, rief sie: „Eigentlich müsste man hier um
taufen in Neukirchen. Denn die Kirche ist neu.“
„Von weitem“, meinte Klößchen,
„sieht sie aus wie ein Kongress-Zentrum.“
Karl streckte den Arm aus.
„Rechts voraus — dort stand das historische Gotteshaus. Mein Vater hat mir die
Stelle gezeigt.“
Tim sah eine brüchige, über
mannshohe Mauer. An ihr führte die Straße entlang. Null Verkehr zur Zeit. TKKG
waren die einzigen Benutzer.
Hinter der Mauer stand ein
Fachwerkhaus, dessen Würde schon ein wenig schäbig geworden war. Auf dem Hof
hatte sich alter Baumbestand erhalten. Drei Kastanien und eine Buche bildeten
ein Blätterdach, das sicherlich starkem Regen trotzen konnte. Ein Stück weiter
vorn war die Einfahrt. Daneben hing ein Schild an der Mauer: Institut Tritze
— Vorbereitungskurse und Hausaufgaben-Betreuung für Schülerinnen.
Für wen denn sonst?, dachte
Tim. Studenten sind schon weiter, Berufstätige haben es hinter sich und Rentner
schreiben sich ein bei der VHS. Sollte man dem Tritze mal sagen.
In diesem Moment passierte es.
Tim hörte keine Explosion. Trotzdem barsten im Fachwerkhaus zwei
Fensterscheiben. Glas prasselte in den Hof. Hinter den Fenstern schossen
Flammen hoch. Das Feuer knisterte. Und schon zerstörte die Hitze oder der
Druck, der im Hausinnern entstand, das dritte Fenster. Auch dessen Scheibe
zersplitterte und fiel in den Hof.
„Heh!“, rief Karl.
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