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Frische Spur nach 70 Jahren

Frische Spur nach 70 Jahren

Titel: Frische Spur nach 70 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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„Im alten
Pfarrhaus brennt’s.“
    Das musste Tim niemand sagen.
Er spurtete bereits, sauste durch die Einfahrt, riss sein Bike nach rechts, zog
eine lange Bremsspur durch sandigen Boden, schlitterte an fünf, sechs
abgestellten Drahteseln vorbei und stoppte vor der Haustür.

    Seine Gedanken jagten. War das
der Brandanschlag? Nein! Kein Kindergarten. Aber... ein Institut für Schüler!
    Er riss die Haustür auf. Ein
Flur — vollgefüllt mit Feuer. Flammen leckten an holzgetäfelten Wänden hoch.
Die Dielen brannten. Schwarze Schlieren flochten sich in die Glut. Ätzender
Geruch quoll aus dem Haus.
    „Da können wir nicht rein!“,
rief Gaby hinter ihm her.
    Tim stand auf der Schwelle.
Weiter konnte er tatsächlich nicht. Wie aus dem Schlund eines Drachens hauchte
die Glut ihn an. Aber das Haus war nicht leer, konnte nicht leer sein.
    Die Bikes! Und dort unter der
Buche parkte ein Renault.
    Tim legte trichterförmig die
Hände vor den Mund. „Hallooooo! Ist hier jemand?“
    Die Antwort kam durch das
prasselnde Inferno — und sie kam aus dem Keller.
    „Hier!“, ertönte eine
Männerstimme, dumpf und fern. „Hier im Keller. Wir sind eingeschlossen.“
    „Wir holen Hilfe!“, rief Gaby
an Tim vorbei.
    Karl nahm seinen Rucksack ab
und zog das Handy hervor.
    „Weiß jemand die Rufnummer der
Feuerwehr?“
    „Wähl den Notruf: 110“, riet
Gaby. „Moment! Ich glaube, die Feuerwehr hat 112.“
    „Stimmt!“, sagte Tim und
beobachtete, wie sich das Feuer eine halboffene Tür einverleibte.
    Dahinter war die Kellertreppe.
Er ahnte sie mehr, als dass er sie sah. Aber ganz eindeutig führte ein dunkler
Schacht abwärts und die Stimme des Mannes war von dorther gedrungen.
    „Holzstufen!“, sagte Tim. „Wenn
die brennen, haben die da unten ein Problem. Wir brauchen einen Feuerlöscher.
Gaby, ruf ihnen zu, dass Hilfe unterwegs ist. Ich schau mal, ob’s einen
Kellerausgang gibt. Willi, frag in der Nachbarschaft nach ‘nem Feuerlöscher. Es
dürfen auch zwei sein. Denn hier ist die Hölle los.“
    Die Aufgaben waren verteilt.
    Karl hatte sich etwas vom Haus
entfernt und telefonierte. Gaby blieb am Eingang. Klößchen wetzte bereits durch
die Einfahrt. Tim umrundete das Gebäude.
    Der Kellereingang lag auf der
anderen Seite. Acht Stufen führten hinunter.
    Tim schaffte sie mit anderthalb
Sprüngen. Aber dann stand er vor einer Tür, die eher eine Seitenpforte zur
Landesstrafanstalt hätte sein können als der Lieferanteneingang von Hochwürden
und dessen Familie: eine Tür aus Stahlblech, stabil wie ein Panzer. Das Schloss
war ein Sicherheitsschloss.
    Tim dachte ein paar Flüche, die
er nur bei völligem Verlust der Selbstbeherrschung rausgelassen hätte, und
drückte auf die Klinke.

12.
Unterlassene Hilfe
     
    Tim hat gut reden, dachte Klößchen
und sauste durch die Einfahrt zur Straße. Feuerlöscher! Hah! Wer hat denn hier
einen Feuerlöscher? Die meisten Leute sind brandversichert. Und wenn’s dann
wirklich mal brennt, sind sie sowieso nicht zu Hause, sondern gerade im Kino
oder auf Mallorca. Trotzdem — versuchen muss ich’s.
    Er lief am Rest der
Pfarrhaus-Mauer entlang. Eine Häuserzeile schloss sich an. Hier begann
sozusagen das Geschäftsviertel von Altkirchen. Aber an diesem Samstagmittag —
die Uhr der neuen Kirche hatte vor wenigen Minuten halb eins geglockt —
herrschte trübselige Betriebsruhe nahezu überall.
    Nur vor dem Einkaufszentrum
dort hinten parkten etliche Wagen. Vielleicht gab’s dort einen Feuerlöscher.
    Klößchen beschleunigte, wobei
ihn die neuen Senkfußeinlagen geradezu federn ließen.
    Dicht rannte er an einem
ältliche Laden mit finsterem Schaufenster vorbei und — prallte gegen den Mann.
    Der war eben aus dem Eingang
getreten, offenbar um nach dem Wetter zu sehen.
    Der Zusammenstoß war heftig.
Beinahe hätte es beide von den Füßen gerissen. Klößchen torkelte weiter in
Laufrichtung und zischte durch die Zähne, weil ihm die Rammstoß-Schulter — die
rechte — ordentlich wehtat. Der Mann wurde gegen das Schaufenster geworfen.
Aber das war aus Panzerglas und hielt stand.
    „Kannst du nicht aufpassen?“,
brüllte er.

    „’tschuldigung. Aber ich bin
ein Notfall.“ Klößchen keuchte. „Will sagen: Ein Notfall liegt vor. Ein
Königreich für einen Feuerlöscher, Ehrwürden! Haben Sie zufällig einen bei
sich?“
    Der Mann war groß und füllig,
etwa 40, hatte ein verschlagenes Gesicht mit Tränensack-Augen und Schnabelnase.
Er trug einen dunklen Nadelstreifenanzug

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