Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frische Spur nach 70 Jahren

Frische Spur nach 70 Jahren

Titel: Frische Spur nach 70 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
sich durchs Gymnasium quälen müssen, denn ohne Abitur war ein
Chemie-Studium, sein Traumziel, nicht möglich.
    Er lächelte schüchtern. „Darf
ich mal riechen? Wenn’s um was Chemisches geht, kann meine Nase allerhand
unterscheiden. Und Chemie ist ja letztlich alles. Jedenfalls — ich kann
bestimmen, was Alkali ist, amphoter, Suspension oder ein azeotropes Gemisch.
Jawoll!“
    Himmel, hätte ich nicht so viel
Tee getrunken!, dachte Helmut und spürte, wie sich sein Gesicht wieder rot
färbte. Benjamin schnüffelte im Türspaltwinkel.
    „Das ist Xoruxothol.“

    „Was?“, fragte Helga.
    „Xoruxothol. Aber es ist nicht
unmittelbar vor der Tür draußen, sondern mindestens ein Stück entfernt. Sonst
wäre der Geruch viel stärker.“
    Helmut gab sich nur ungern die
Blöße, etwas nicht zu wissen. Also schwieg er und überließ seiner Frau die
Frage.
    Auch Helga war sich bewusst,
dass sie an Autorität einbüßte, aber damit konnte sie leben.
    „Xoruxothol? Nie gehört. Was
ist das?“
    „Ein neu entwickelter
Treibstoff. Aber nicht für Kfz, sondern für Raketen. Auch die ersten
Flugzeug-Generationen des dritten Jahrtausends werden sicherlich damit
angetrieben. Wir haben einen neuen Chemie-Shop in der Stadt, wo man Xoruxothol
kaufen kann. Natürlich nur in kleinen Mengen. Außerdem ist der Kraftstoff sehr
teuer.“
    „Wie zum Teufel“, fragte
Helmut, „kommt dann das Zeug hierher?“
    „Das weiß ich nicht, Herr
Doktor.“
    Helga spürte, wie bei ihr im
Hinterkopf eine bedrückende Ahnung anpirschte.
    „Was für... Eigenschaften hat
Xoruxothol?“
    Benjamin überlegte. Dann: „An
Minderjährige darf es nicht verkauft werden, weil es extrem feuergefährlich
ist. Leicht entflammbar. Der Mann im Shop hat gesagt, man braucht nur an Feuer
zu denken und schon brennt das Gemisch wie eine Waberlohe. Was das ist — eine
Waberlohe — weiß ich allerdings nicht?“
    „Ist ein loderndes Feuer“,
sagte Helmut rasch, sah nämlich endlich eine Möglichkeit, seine
wissenschaftliche Führungsposition wieder zu übernehmen, „das eine Burg
schützend umgibt. Dieses Bild stammt aus der nordischen Mythologie. Da legt
Odin einen Feuergürtel um die Burg der Walküre Brunhilde. Ja, das waren noch
Kerle. Die... Um Himmels willen!“
    Der angstvolle Blick seiner
Frau hatte ihn gestoppt. Jetzt durchfuhr es ihn siedendheiß. Verdammt! Er
schwafelte — und merkte nicht, was Sache war. Benjamin hatte es ausgesprochen.
Xoruxothol würde brennen wie eine Waberlohe — und das alte Pfarrhaus wie
Zunder.
    Aber ein Brandanschlag kann
doch nicht sein, dachte er im selben Moment. Es macht keinen Sinn. Wer wollte
uns denn verbrennen, uns und die Kinder? Wir haben keine Feinde. Niemand...
Oder? Doch nicht etwa die Mitkämpfer von damals, die Staatsfeinde, von denen
wir uns losgesagt haben. Die sitzen doch alle lebenslänglich. Ist wer
übriggeblieben, den wir nicht kennen? Gelten wir als Verräter — und jetzt wird
Rache genommen?
    Er schwitzte, sein Gesicht war
krebsrot, die Blase begann zu schmerzen.
    Er und Helga starrten sich an
und jeder wußte, was der andere dachte.
    „Wer mal muss“, kichert Jörg,
„für 50 Pfennig darf er. Für ‘ne Mark mache ich die Klotür zu, hähäh, halte
nämlich meine Jacke davor.“
    „Ruhe!“, schrie Helmut. „Ruhe,
du gottverdammter Bengel! Noch ein Wort — und es setzt was!“

10. Lola
trabt
     
    Tim war nachdenklich, als TKKG
zum Präsidium radelten. Klaus Nocke ging ihm nicht aus dem Kopf. Nicht etwa,
weil Hildes Enkel ein beeindruckender Typ gewesen wäre — davon war Omas
Liebling Lichtjahre entfernt sondern wegen des Blicks. Der Piano-Player hatte
geglotzt, als verstünde er die Welt nicht mehr. Ziel seiner Augen war nicht Tim
gewesen, sondern dessen Freunde — die schon ein Stück weiter stadtwärts waren
und dicht beieinander. Wem hat diese glotzende Aufmerksamkeit gegolten?,
überlegte der TKKG-Häuptling. Gaby? Karl? Klößchen? Oder allen dreien?
    „Heh, Tim!“, rief Gaby, die
neben ihm fuhr. „Träumst du von besseren Zeiten?“
    „So würde ich dich nicht
bezeichnen“, grinste er. „Obwohl mit dir natürlich alles besser wird. Zu jeder
Zeit.“ Gaby lachte. „Du kannst mir trotzdem sagen, woran du wirklich gedacht
hast.“
    „An dich natürlich.“
    „Schwöre!“
    „Klaus Nocke.“
    „Ah.“
    „Euch konnte das nicht
auffallen. Aber ich habe seinen Blick aufgefangen. Der war einerseits verstört,
andererseits feindselig.“
    „Als hätten wir seine

Weitere Kostenlose Bücher