Frische Spur nach 70 Jahren
doch bei Leo
Schachner.“
„Bin ich selbst.“„
„Sie sind doch der Vater von
Lore.“
„Nein. Ich habe keine Tochter.“
„Aber Lore hat mir diese
Rufnummer gegeben.“
„Muss eine Verwechslung sein.“
„Wohl eher ein dummer Scherz.“
„Weiß ich nicht. Wer spricht
denn dort?“
„Ich bin der Markus.“
„Und?“
„Möchte Lore sprechen.“
„Mann, ich will den Nachnamen
wissen!“
„Fragen Sie Lore, die weiß
ihn.“
Tim schaltete ab, denn Klößchen
hatte schon zweimal den Kopf geschüttelt, begleitet von Achselzucken.
„Also, ich weiß nicht. Er
klingt nicht wie Claus. Aber der hat ja auch durch die Strumpfmaske
gesprochen.“
Klößchen hielt sich den Rand
seines Sweatshirts vor den Mund, als er weiterredete. „Außerdem stand der Kerl
unter Strom. Stress! Anspannung! Aufregung! Ist ja nicht jeder so kaltblütig
wie ich. Nun? Klinge ich anders?“
„Genau wie immer“, sagte Gaby.
„Nur etwas deutlicher als wenn du den Mund voller Schoko hast.“
„Ist ja auch völlig egal“,
meinte Tim. „Schachner könnte Claus sein, weil er, der Einbrecher, die B
& C-Originalunterlagen gestohlen hat: Tagebücher und Album.“
„Das — so vermuten wir“, sagte
Karl, „hat angestiftet zur Nachahmung: Schachner und eine Tussi mit Piepsstimme
sind hingerissen von den Vorbildern und machen ein Remake (Wiederholung/Neufassung) der alten Verbrechen.“
„Wenn alles genauso ablaufen
soll wie damals“, überlegte Klößchen, „müssen die beiden zum Schluss
hingerichtet werden.“
„Vielleicht ist es dir noch
nicht aufgefallen, Willi, aber in Mitteleuropa ist das schon seit längerer Zeit
total unüblich“, entgegnete Tim. „Selbstverständlich müssen sie mit einer
empfindlichen Knaststrafe rechnen. Zum Beispiel mit lebenslänglich.“
Klößchen feixte. „Lebendig
begraben sein ist schlimmer als der Tod. Allerdings sind unsere Knastanstalten
heutzutage ultra-menschenfreundlich, haben Diätküche, Sportplätze und Zugang
zum Internet. Man kann studieren und Bastelkurse belegen — nur Fernreisen und
Ausflüge sind untersagt. Im Mittelalter war das anders. Da wurden Früchtchen
wie Beate und Claus in Ketten gelegt, es gab Wasser und Brot. Und die einzige
geistige Erbauung waren die eingeschränkten Tier-Shows.“
„Welche Tier-Shows?“, fragte
Gaby verblüfft.
„Ich meine die Ratten — wenn
die aus ihren Löchern im Kerker kamen. Und die Spinnen beim Weben ihrer Netze
in den Ecken.“
„Vergiss die Flöhe nicht!“ Gaby
verdrehte die Augen über Klößchens Humor. „Die Läuse, Wanzen und Kakerlaken.“
„Darf ich zum Thema bitten!“,
meinte Tim und trat zwei Schritte vor, um in die Kättler Straße zu spähen, die
hier endete.
Eine stille Straße war’s mit
Einfamilien-Siedlungshäusern auf kleinen Grundstücken. Hier und dort war eine
Garage angebaut. Aber die meisten Kfz parkten am Gehwegrand. Einen Ferrari oder
Rolls Royce konnte Tim nicht entdecken, aber betagte Kleinwagen und Motorräder.
Haus Nr. 44, Schachners
Adresse, lag auf der rechten Seite und war nicht weit entfernt. Das letzte Haus
trug die Nummer 48, dann begann bereits — leicht abgeknickt — der Siebensteiner
Weg.
Ein silbergrauer Porsche rollte
heran. Sonnenlicht spiegelte sich in der Winschutzscheibe. Tim konnte nicht
sehen, wer da stolz-geschwellt hinterm Lenkrad hockte. Der Wagen hielt
gegenüber von Schachners Heimstatt. Ein Mann stieg aus. Er war jung, trug
gebügelte Hosen und eine sommerleichte Lederjacke. Im langen schwarzen Haar
waberten sicherlich 200 Gramm Frisiercreme oder Gel. Der Typ knallte die
Wagentür zu, schloss nicht ab, sondern stelzte mit knallendem Schritt — infolge
harter Ledersohlen — über die Fahrbahn und öffnete Schachners Gartenpforte mit
einem Tritt.
Knallende Schritte zum
Hauseingang, der an der Seitenfront lag.
„Unser Einbrecher kriegt
Besuch“, teilte Tim seinen Freunden mit, die noch hinter der Ecke standen. „Ein
aggressiver Porsche-Typ. Riecht nach Zoff. Ich schleich’ mich an. Vielleicht
fällt ‘ne nützliche Info für uns ab.“
„Anschleichen?“ Gaby pustete
gegen ihre Ponyfransen. „Am helllichten Tage? Du müsstest wie Luft aussehen.“
„Schachner liebt Sträucher und
Büsche. Er tut ihnen nichts. Sie werden weder gekämmt noch beschnitten. Der
ganze Garten ist eine einzige grüne Hecke.“
Tim lehnte sein Bike an
Klößchens Drahtesel, schlenderte los, erreichte Schachners Grundstück und sah,
dass die Pforte einladend offen
Weitere Kostenlose Bücher