Frischluftkur: Roman (German Edition)
Stimmung!«
»Wo sind sie?«, fragt Petra scharf. »Wo hast du sie versteckt?«
»Keine Sorge, es geht ihnen gut«, versucht Edith die vier Landfrauen zu beruhigen. »Ich wusste ja gar nicht, dass die beiden euch so am Herzen liegen.«
»Tun sie auch nicht«, sagt Tina. »Woher wusstest du eigentlich, dass wir dir folgen?«
»Ach«, sagt Edith, zögert kurz, entscheidet sich aber angesichts der in Kürze bevorstehenden Enthüllungen, ihr betrieblich auferlegtes Schweigegelübde schon ein wenig zu lockern. »Ich habe meine eigene kleine Kamera in den Laptop eingebaut, den Tina so gerne benutzt.«
»Du hast ... was?«
»Und ich bin mit allen euren Kameras vernetzt. Gute Arbeit übrigens, die habt ihr perfekt platziert! Jetzt wissen wir über das ganze Dorf Bescheid, dass hat uns bei der Vorbereitung unseres neuen Projektes sehr geholfen.«
»Euer Projekt?«, fragt Hanna.
»Ja. Dazu habe ich – besser gesagt: hat meine Chefin – gleich ein paar tolle Neuigkeiten für euch.«
Edith ist absurderweise fest davon überzeugt, dass die vier von dem, was sie gleich erfahren sollen, hellauf begeistert sein werden. Übersteigerter Optimismus und fehlgeleitete Euphorie, eine erste Nebenwirkung des ständigen Putzmittelmissbrauchs.
Sie führt Tina, Petra, Hanna und Marlies treppab in die Katakomben und bringt sie in einen Raum, der so gar nicht aussieht, wie man sich das Innere eines Bunkers vorstellt. Es könnte eher die Lobby eines Designhotels sein, inklusive indirekter Beleuchtung, Cocktailsesselchen, Natursteinkamin, einer Bar aus Mooreiche und einem Wasserbecken, in dem Kois schwimmen.
»Ganz schön schick!«, staunen die Landfrauen. Aber sie sind alarmiert. Edith hatte Zugriff auf alle Kameras? Das klingt gar nicht gut.
»Meine Chefin liebt das Besondere«, sagt Edith. »Und das ist erst der Anfang!«
»Der Anfang wovon?«, fragt Marlies misstrauisch.
***
Mümmel zittert. Er fühlt sich trotz der extra für ihn angefertigten Reisetasche von Louis Vuitton im Auto nicht so recht wohl. Vielleicht überträgt sich auch die Nervosität und die Anspannung seines Frauchens auf ihn.
Inez von Gravenberg ist aufgeregt. Die Arbeit der letzten Wochen hat tiefe Ringe um ihre Augen gezeichnet. Aber bald steht der Umsetzung ihres Planes nichts mehr im Weg. Sie hat Teile des ehemaligen Nato-Depots angemietet und Edith gebeten, dort schon mal Büro und Konferenzräume einzurichten. Für die weitere Durchführung wird sie eine Schaltzentrale vor Ort benötigen, dafür liegt das Depot ideal.
Die noch fehlenden Unterschriften wird sie heute bekommen, das hat ihr ihre Sonderbeauftragte Edith zugesagt. Und sie hat ihr neue, motivierte Mitarbeiterinnen versprochen. Vor allem diese Marlies, für die Inez von Gravenberg sich schon länger interessiert, die jedoch nie zu den Seminaren gekommen ist. Das alles sind gute Gründe, an den Ort zurückzukehren, von dem sie vor Jahrzehnten geflohen ist. »Es ist an der Zeit«, sagt sie leise.
Die Mischkonzernchefin steuert ihr Mercedes-Coupé auf den Parkplatz des Munitionsdepots. Sie nimmt die Tasche mit Mümmel, schiebt ihr Hütchen zurecht und geht hinein. Ihre Schlangenlederpumps klackern auf der steinernen Treppe, die in die Tiefe führt. Sie geht direkt in ihr neues Büro, das eine exakte Nachbildung ihres Reiches in der Konzernzentrale ist. Mit einer Ausnahme: Statt eines Fensters gibt es hier einen riesigen Plasmabildschirm. Und ein größeres Modell des Wellness-Ressorts nimmt einen beachtlichen Teil des Fußbodens ein. Mümmel wirkt erleichtert, als er das sieht. Inez von Gravenberg befreit ihn aus seinem Louis-Vuitton-Täschchen, setzt sich in ihren Eames-Chair, nimmt Mümmel auf dem Schoß und gibt ihm eine Möhre. Mümmel ratzelt die begeistert weg.
Die Konzernchefin entspannt sich etwas. Bald, bald, wird alles so sein, wie sie es sich schon so lange vorstellt. Ihr Triumph steht kurz bevor. Sie drückt auf den Knopf der Gegensprechanlage.
»Edith, Sie können jetzt mit den Damen hereinkommen!«
***
Edith führt Tina, Petra, Hanna und Marlies in das Büro ihrer Chefin. Die vier gucken skeptisch, Edith kann sich gar nicht erklären, warum. Das wird sich wohl gleich ändern , denkt sie.
»Setzen Sie sich«, fordert Inez von Gravenberg die Landfrauen auf. Sie wartet, bis alle Platz genommen haben, dann betätigt sie die Fernbedienung. Es wird dunkel, auf dem Plasmabildschirm startet ein Film.
»Wellcome – die einzigartige Wellness-Erlebnis-Welt mit historischem Ortskern.
Weitere Kostenlose Bücher