Frischluftkur: Roman (German Edition)
Massagegeräten. Aber da ist sie jetzt nicht mehr. Und es ist gleich fünf. Um fünf fährt doch der Bus ab!«, haspelt Petra.
Von hinten nähert sich die Ortsvertrauensfrau mit hektischen roten Flecken im Gesicht, die selbst durch die Erdpuderschicht zu sehen sind: »Da seid ihr ja! Wir wollen gleich abfahren! Ihr solltet doch alle zusammenbleiben!«
»Wir haben Hanna verloren!«, ruft Petra ihr zu.
»Ich glaube, die ist da vorne«, sagt Tina. »Von da oben hatte ich einen ganz guten Überblick. Nur ein Momentchen noch!« Sie eilt wieder zum Sprudelbadmann und lässt sich ein Sauerstoffblubbergerät einpacken. Das ist gar nicht so leicht, denn das Ding hat etwa die Größe eines Kühlschranks. Der Verkäufer bindet ein Seil daran fest, so kann Tina es mit einer Hand (in der anderen trägt sie den Überwachungskamera-Set-Koffer) hinter sich herschleifen. »Herabgesetzt von tausendzweihundertneunundfünfzig Euro auf siebenhundertsiebenundsiebzig – das ist doch ein Schnäppchen!« Sie keucht, doch diesmal nicht aus Erregung wegen eines Verkäufers, sondern weil das Gerät ganz schön schwer ist. »Service inklusive!«
»Schnell, schnell«, drängt die Ortsvertrauensfrau. »Wo ist denn jetzt Hanna?«
»Folgt mir!« Tina lotst das Landfrauengrüppchen durch die Menge.
Hanna sieht die noch tropfnasse Tina mit Petra, der etwas widerstrebenden Marlies und der von nervösen roten Flecken übersäten Ortsvertrauensfrau heraneilen. Schnell steckt sie das Analyseergebnis in ihre Handtasche. Niemand darf das je sehen!
Die Ortsvertrauensfrau drängt zum Aufbruch. Dann rennen sie los. Erst in die falsche Richtung, doch schließlich finden sie den richtigen Ausgang. Der Bus von Grell-Reisen steht direkt davor. Vollbesetzt und hell erleuchtet, schon mit laufendem Motor.
»Sind wir nun vollzählig?«, keucht die Ortsvertrauensfrau außer Atem.
»Nein, Monique fehlt noch«, kreischen ein paar Frauen zurück. Der Bus ist knallvoll mit Kisten und Tüten, durch den Gang ist kein Durchkommen mehr. Tina bezirzt den Busfahrer, damit der für ihr Sprudelbad einen Extra-Kofferraum öffnet.
Die Landfrauen sind erschöpft, aber angeregt. Was man alles erlebt hat! Was man alles gekauft hat! Aber das Leben in der Stadt, das wäre ja auf Dauer nichts. Viel zu hektisch, viel zu anstrengend, viel zu laut. Und viel zu viele Menschen! Sie haben gar nicht wahrgenommen, dass alle anderen Menschen, die sich mit ihnen durch Du & Deine Welt drängten, ebenfalls Landfrauen waren. Aus anderen Dörfern. Echte Städter sind ihnen gar nicht begegnet.
Endlich kommt auch Monique angetrippelt. In jeder Hand hält sie einen langen, schwingenden Stab, nur mühsam kann sie das Gleichgewicht bewahren. Es macht ihr ein wenig Mühe, in den Bus einzusteigen, die Flexi-Trainer, wie die Stäbe heißen, verkanten sich immer wieder im Eingangsbereich.
Als sie es geschafft hat, bleibt sie am Anfang des Ganges stehen und lässt ihren Blick triumphierend über die Sitzenden gleiten. Doch was sie da sieht, gefällt ihr gar nicht. Die sind ja alle geschminkt! Und zwar nicht von ihr, der Beauty-Monopolistin!
Vierzig erdbepuderte Gesichter (ohne Tina, die ihre Gesichtsbemalung im Badewasser zurückgelassen hat, und Marlies, die dem vermeintlichen Schönheitstrend durch Unauffälligkeit vor dem Stand entging) starren sie an, weil sie plötzlich wie von Sinnen loskreischt: »Was fällt euch eigentlich ein! Was habt ihr bei der Konkurrenz gemacht? Wie ihr alle ausseht ... unmöglich! Das ist ja total unprofessionell gearbeitet!«
Die Landfrauen schauen einander an und sind mit dem, was sie sehen, eigentlich ganz zufrieden. Der Erdpuder hat wie versprochen den ganzen Tag gehalten (und sieht auch nicht aus, als wollte er sich je wieder von der Haut lösen), die Fliegenbeine sind stabil und die Augen nach wie vor in drei Fliedertönen markiert. Selbst Spuren des Magic-Lipsticks sind noch zu sehen, trotz Heuschreckenmahlzeit und anderer kulinarischer Exzesse. Moniques Make-up dagegen wirkt ziemlich abgeblättert. »Ich bin hier die Beauty-Queen«, kreischt sie und schwingt dabei ihre Flexi-Stäbe. Die Landfrauen in den ersten Reihen ducken sich, der Busfahrer leider nicht. Ein Ende eines Flexi-Stabes trifft ihn am Hinterkopf, er sackt ohnmächtig über dem Lenkrad zusammen.
»Na toll«, stöhnt die Ortsvertrauensfrau. »Monique, du hast den Busfahrer k.o. geschlagen. Setz dich. Was sind das überhaupt für merkwürdige Stöcke? Und was machen wir jetzt?«
Monique beginnt
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