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Frischluftkur: Roman (German Edition)

Frischluftkur: Roman (German Edition)

Titel: Frischluftkur: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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Schädel abgetropft. Aber Wichser? Das ist das Wort, bei dem Tyron, der ohnehin kein sehr beherrschter Mensch ist, durchdreht. Er greift sich von der Sonderverkaufsfläche vor dem Laden einen Besen – im Angebot für siebenneunundvierzig – und drischt damit auf Marco, Ben und vor allem ihren Opel Kapitän ein, hinter dem die beiden Deckung suchen.
    »Nein, nicht die Vorderlichter!«, stöhnt Marco. Schon zersplittern sie unter Tyrons kraftvollen Schlägen.
    »Oh, bitte, nicht der Kotflügel!«, wimmert Ben. Krachend gibt der Kotflügel dem Besenstock und Tyrons rasender Wut nach.
    In dem Moment biegt Romeo auf Knurres Parkplatz ein. Er steigt aus dem Corsa seiner Mutter und sieht Tyron wüten.
    Hmm , denkt er, sieht nach Ärger aus, lieber schnell weg hier. Doch dann bemerkt er Marco und Ben hinter dem schon arg zerdepperten Opel Kapitän. Vielleicht sollte er seinen Freunden helfen? Immerhin fühlt er sich seit gestern Nachmittag als Mann.
    Jetzt haben Ben und Marco ihn auch gesehen und fühlen sich gleich stärker. »Ey, Romeo!«, rufen sie. So wird auch Tyron auf ihn aufmerksam und hält in der Bewegung inne. Marco und Ben beten, dass die Motorhaube unbeschädigt bleibt.
    Romeo nimmt all seinen Mut zusammen und schlendert betont lässig auf die drei zu. »Na, Kumpel, was geht?«, sagt er zu Tyron. Er hegt die irrationale Hoffnung, mit einem kleinen Smalltalk davonzukommen. Klappt doch in diesen Gangster-Filmen auch manchmal. Aber vielleicht hätte er nicht »Kumpel«, sondern »Bruder« sagen sollen, wie diese Hip-Hop-Stars mit den tiefsitzenden Hosen? Immerhin ist er ja so gut wie mit Jule verheiratet, das macht Tyron immerhin zu so einer Art Verwandten, denn Tyron ist nicht nur Türsteher bei Kappels, sondern auch Jules Cousin. Er ist also sein Schwippschwager. Aber das ist jetzt vielleicht nicht gerade das richtige Gesprächsthema.
    »Was heißt hier Kumpel?«, brüllt Tyron ihn an.
    »Äh, Bruder ...«, stammelt Romeo, in der Hoffnung, einem Konflikt zu entgehen, »... Schwippschwager?« Er weiß nicht mehr, was er sagt. Er weiß auch nicht, wo plötzlich der Besen in seiner Hand herkommt. Er sieht nur, wie Marco den Moment nutzt, sich an Tyrons Manta heranschleicht und die Fuchsschwanzantenne abbricht.
    Tyron hört das Knacken, dreht sich wie ein Brummkreisel herum, sieht Marco mit der Antenne in der Hand, stößt einen dumpfen Schrei aus, der an einen getretenen Bären erinnert, und geht mit dem Besenstiel auf Marco los. Romeo verwirft die Hoffnung auf coolen Smalltalk und all seine Ängste und stürzt sich dazwischen. Er denkt an Jule und dass sie ihm Kraft und Mut gibt. Auch, dass er diese Kraft und diesen Mut vielleicht anders einsetzen sollte, als ausgerechnet ihren Cousin zu verprügeln. Wie soll er ihr das bloß erklären? Aber Marco liegt am Boden und Romeos Besenstil schwingt schon Richtung Tyron. Als auch der am Boden liegt, macht Romeo weiter und drischt wie von Sinnen auf den Manta ein.
    ***
    Wie die wilden Tiere, denkt Marlies, die ihren Arbeitsplatz verlassen und sich in die dichten Reihen der Schaulustigen gequetscht hat, mit einem Hauch Bewunderung. Nicht auszudenken, wenn die jetzt richtige Waffen hätten. In Marlies' Kopf entstehen feurige Inferno-Szenen. Natürlich würde Romeo gewinnen!
    Hat er ja schon, gewissermaßen. Der bibbernde Ben und drei herbeigeeilte freiwillige Feuerwehrmänner versuchen, den Rasenden zur Ruhe zu bringen. Schließlich gelingt es ihnen, Romeo in den Corsa zu verfrachten und nach Hause zu fahren.
    ***
    Noch Stunden später dröhnt Romeos Kopf. Er sitzt mit seinen Eltern am Mittagstisch und versucht, die unangenehm lauten Geräusche auszublenden, die sein Vater macht.
    »Natürlich geht mein Sohn zum Bund!«, brüllt der und knallt Romeos Einberufungsbefehl auf den Tisch. »Zivildienst? Rentnern die Ärsche abwischen? Das ist doch was für Weicheier! Das kommt für meinen Sohn nicht in Frage!« Er schlägt mit der Faust auf den Brief und den darunterliegenden Tisch. »Mein Sohn soll das Vaterland verteidigen! Meinetwegen auch am Hindukusch! Es geht um unsere Scholle, unseren Salat.«
    Romeo ahnt vage, dass Vater mit Scholle nicht den Fisch meint.
    »Der Dienst an der Waffe, das ist das einzig Wahre«, donnert Montag senior. Für einen Salatbauern ist er ganz schön militant.
    »Früher, als das Nato-Munitionsdepot hier noch genutzt wurde, ja, das waren Zeiten!« Er erwähnt nicht, dass er in Teilen des ehemaligen Munitionsdepots, einem verwinkelten

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