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Frischluftkur: Roman (German Edition)

Frischluftkur: Roman (German Edition)

Titel: Frischluftkur: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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ihr Equipment aufgebaut und freuen sich jetzt über die gestochen scharfen Bilder, die ihre Kamera durch die Augen des Teddybären liefert. Gespannt und gerührt verfolgen sie die erste Liebesnacht des muschelgetrauten Paares.
    »Ich bin ja so stolz auf die beiden!«, sagt Hanna.
    »Ja, und auf uns!«, fügt Tina hinzu. »Wir haben das eingefädelt!«
    »Wenn das mal bloß keinen Ärger gibt«, unkt Petra.
    Marlies sagt gar nichts. Sie zoomt das Bild ein wenig heran und vertieft sich in die Details.
    ***
    Romeo schrickt aus dem Schlaf hoch. »Was ist das für ein komisches Geräusch?« Durch das geöffnete Fenster dringt ein leises Kreek-Kreek. »Das habe ich neulich Nacht schon mal gehört.«
    »Ach, das ist nur so ein seltsamer Vogel. Wachtelkönig heißt der, glaube ich. Und wo der wohnt, darf man nicht bauen. Der ist nämlich vom Aussterben bedroht«, erklärt Jule.
    »Wie romantisch«, sagt Romeo und kuschelt sich wieder an ihren warmen Körper. Sie hätte ihm auch erzählen können, dass er gerade das letzte Wachtelkönig-Exemplar mit einem Panzer überfahren hat, aus ihrem Mund hätte das für ihn wie Honig geklungen.
    »Ich muss los«, sagt Jule nach einem Blick auf die Uhr. »Meinem Vater Kaffee machen. Wann sehen wir uns wieder?«
    Geh nicht , will Romeo sie am liebsten bitten, aber eine richtige Antwort auf ihre Frage weiß er nicht. »Hmmm«, sagt er stattdessen.
    »Was soll das denn heißen?«, fragt Jule.
    »Ich muss dir was sagen ...«, fängt Romeo an.
    Oh nein, bitte nicht! , denkt Jule. In ihr stürzen Welten zusammen. Nicht noch einer von diesen Ich-habe-meinen-Spaß-gehabt-und-jetzt-ist's-gut- Kerlen. »Und ich dachte, du wärst anders«, schluchzt sie prophylaktisch.
    Romeo weiß gar nicht, was sie meint. »Ich muss zur Bundeswehr. Ins Manöver. Keine Ahnung, wann ich da wieder rauskomme. Mein Vater hat das eingefädelt.«
    Jule atmet erleichtert auf, um dann gleich wieder zusammenzuzucken. »Scheiße!«, sagt sie, weil ihr nichts Besseres einfällt. Sie stellt sich vor, wie Romeo durch den Schlamm robben muss, wie er vor Erschöpfung bei einem Gewaltmarsch umfällt und von einer Handgranate zerrissen wird.
    »Es wird schon nicht so schlimm. Ich schreibe dir auch jeden Tag!«, versucht Romeo sie zu trösten, obwohl schon der Gedanke, von Jule getrennt zu sein, ein unschönes Brennen in seinem Magen auslöst.

8. Kapitel:
Die Steckrübe
    Schnell klappt Marlies das Buch zu. Ihr Gesicht changiert in den leuchtenden Rot- und Rosatönen des Covers. Dann blättert sie wieder zu der Seite, bei der sie die Lektüre abgebrochen hat und liest weiter. So arbeitet sie sich im Stop-and-go-Verfahren durch das Buch, das Evelyn ihr zum Geburtstag geschenkt hat. »Du liest doch gerne«, hat ihre Kollegin gesagt und ihr einen hübschen kleinen Karton in die Hand gedrückt. Ja, Marlies liest gerne. Harmlose Heftchen, mit viel Liebe und immer mit Happy End. Gerne auch ein bisschen Erotik, aber nicht zu explizit. Dieses Muster setzt sich in Marlies' Tagträumen fort.
    Doch hier wird nicht abgeblendet. Zwischen dem harten, pink-rot-gemusterten Schutzumschlag geht es dermaßen zur Sache, dass Marlies zwischendurch immer eine Runde Luft holen und ihr gerötetes Gesicht kühlen muss. Verstohlen sieht sie sich um und fragt sich: Beobachtet mich jemand? Obwohl das eher unwahrscheinlich ist, denn erstens ist sie in ihrem Schlafzimmer, das Rollo ist heruntergezogen und die Tür abgeschlossen. Zweitens befindet sich sämtliches Überwachungsgerät in den Händen der Teilnehmerinnen der Aktion Frischluftkur und ist an verschiedenen von Marlies mit ausgewählten Stellen des Dorfes im Einsatz. Marlies' Schlafzimmer ist seit der Liebesnacht von Romeo und Jule wieder überwachungsfreie Zone, da ist sie sich sicher.
    Obwohl Marlies so innerlich aufgewühlt ist, muss sie immer weiter lesen. Es ist wie ein Zwang. Atemlos und mit glühenden Wangen saugt sie die Geschichte einer muslimischen Frau in sich auf, die ihre Sexualität befreit und dadurch erblüht. Wie kann das sein?, fragt sich Marlies. Was sich diese Frau alles traut! Und: Vielleicht kann ich das auch? Zuerst aber muss sie sich eine andere Frage stellen. Bin ich unterdrückt? Die klare Antwort: Ja. Bloß: Durch wen? Wer unterdrückt mich? Marlies grübelt, rätselt, verdächtigt alle möglichen Leute, von ihrer Mutter bis zur Vorsitzenden des Landfrauenvereins und kommt dann zum Schluss: Ich selbst, Marlies, unterdrücke mich! Ich muss mich von mir selbst befreien!

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