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Frischluftkur: Roman (German Edition)

Frischluftkur: Roman (German Edition)

Titel: Frischluftkur: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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nicht nötig, denn die beiden strahlen.
    »So, jetzt müsst ihr nur noch diese Bänder durch die Löcher in den Muscheln ziehen und euch die Dinger umhängen. Ihr dürft sie übrigens nicht wieder abnehmen. Unter keinen Umständen.« Tina reicht den beiden etwas Paketschnur, die sie vorschriftsmäßig an den Muscheln befestigen.
    »Sollen wir jetzt wieder zurücktauschen?«, fragt Jule.
    Das verwirrt Tina. »Äh, nein, einfach umhängen.«
    »Egal, wer wem welche?«, hakt Jule nach.
    »Ja, egal«, sagt Tina forsch. Sie weiß natürlich, dass das nicht egal ist, aber sie will nicht zugeben, dass diese Frage sie überfordert. Einen Moment lang steht das frisch-muschelgetauschte Paar nun Hand in Hand am Strand. Leise schwappt eine kleine Welle ans Ufer. Der Mond ist fast verschwunden, einige frühe Vögel beginnen bereits, ihre Lieder anzustimmen. Hanna schluckt. Der Moment ist so schön, dass sie fast losweinen muss. Aber wie sähe das denn aus! Unauffällig linst sie zu ihren Freundinnen. Auch sie strahlen vor Stolz. Doch niemand sieht so glücklich aus wie das junge Paar. Der Moment ist so romantisch!
    »Ich muss jetzt los!«, sagt Jule.
    »Jetzt schon?«, fragen Romeo und die Landfrauen ungläubig.
    »Ja, mein Vater steht gleich auf und braucht seinen Kaffee. Dafür bin ich zuständig.«
    »Kann das nicht deine Mutter machen?«, fragt Romeo. So kennt er das von zuhause.
    »Nee, die wirft sich abends immer Schlaftabletten ein und kommt dann morgens nicht hoch.«
    Romeo schweigt betreten. Jetzt hat er also eine tablettensüchtige Schwiegermutter. Diese Kappels! Aber egal, er liebt Jule.
    »Sehen wir uns denn heute Abend?«, fragt der frischangetraute Muschelehemann schüchtern.
    »Ja«, antwortet Jule leise. »Aber wo?«
    Beide sehen die Landfrauen hilflos an.
    »Bei mir«, sagt Marlies beherzt. »Ihr könnt meine Wohnung haben. Ab acht bin ich weg, der Schlüssel liegt im Geranientopf neben der Haustür. Ihr müsst nur aufpassen, dass meine Mutter euch nicht sieht.«
    »Danke!«, sagen Romeo und Jule gleichzeitig. Dann versuchen sie es noch mal mit einem Kuss, der ihnen schon viel besser gelingt als beim ersten Mal. Die Landfrauen applaudieren, das Paar wird rot, und Jule hüpft über die Wiese davon.
    Gegen Mittag lehnen Ben und Marco auf dem Parkplatz vor Knurres Kramerlädchen an ihrem kanariengelben Opel Kapitän. Das Prachtstück haben sie eigenhändig in monatelanger Feinarbeit auseinander genommen und wieder zusammengesetzt (wobei ein paar Schrauben übrig geblieben sind, aber die waren wohl nicht so wichtig). Nun wollen sie mit ihrem feschen Oldtimer angeben und haben sich deshalb in Pole-Position direkt neben den Einkaufswagen platziert. Die Hausfrauen nicken anerkennend, kleine Kinder wollen mal »das schöne Auto anfassen« (das lassen Ben und Marco natürlich nicht zu), und Rentner fühlen sich an ihre Jugend erinnert. Ben und Marco sind kurz davor, vor Stolz zu platzen, als Tyron mit seinem tiefergelegten Manta auf den Parkplatz fährt. Aus den Bassboxen wummert es laut. Den kleinen wuscheligen Neandertalerpüppchen, die er sich auf das Armaturenbrett geklebt hat, stehen rhythmisch die neongrünen Haare zu Berge. Kein schöner Anblick, finden Ben und Marco.
    »Ey, was ist das denn für ein olles Postauto?«, höhnt Tyron, als er betont langsam an Ben und Marco vorbeischlendert. »Wat 'ne Rostlaube!« Seine Augen haben sich vor lauter Verachtung zu kleinen Schlitzen verengt. Sein Gang sagt: Ich kann vor Kraft kaum laufen. Sein frisch geschorener Kopf glänzt in der Mittagssonne.
    Ben und Marco knurren leise wie zwei ungezogene Terrier.
    »Na, was war denn da gestern Abend mit euch los?«, fragt Tyron. »Hat euer Taschengeld nicht gereicht oder habt ihr keinen hoch gekriegt? Euer Freund, diese Montag-Salatgurke, der hat doch bestimmt noch nie ...?« Er grinst hämisch.
    Marco und Ben sind tief getroffen. Erst beleidigt Tyron ihr Auto, dann ihre Potenz und dann auch noch ihren besten Freund? Schlimmer kann es ja wohl nicht mehr kommen!
    »Wichser!«, stößt Marco zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Ganz leise zwar, aber Tyron hat es trotzdem gehört.
    »Was hast du gesagt?«, fragt er scheinheilig nach.
    »Wichser!«, wiederholt Marco, nun ein wenig mutiger. Er kann ja nicht ahnen, dass ausgerechnet dieses Wort bei Tyron eine Kurzschlussreaktion auslöst. Marco hätte Tyron ruhig Schlappschwanz, Hanswurst oder Schleimscheißer nennen können, das wäre wahrscheinlich an dessen leicht zerbeultem

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