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Frischluftkur: Roman (German Edition)

Frischluftkur: Roman (German Edition)

Titel: Frischluftkur: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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Hast du es schon an einen Verlag geschickt?«
    Marlies schüttelt den Kopf. An einen Verlag? Daran hatte sie gar nicht gedacht. Das veröffentlichen? Um Himmels willen! Wer würde das schon drucken wollen? Ist ja nur von ihr, der langweiligen Marlies. Ein paar kleine Hirngespinste.
    »Hast du noch mehr davon?«
    Marlies, bis auf das Halswirbelgelenk starr wie ein Karnickel, das sich tot stellt, nickt.
    »Das muss ich lesen! Ich komme heute Abend bei dir vorbei.«
    Marlies traut sich nicht, Evelyn zu widersprechen. Wenn es ihre Freundinnen gewesen wären, dann hätte sie vielleicht etwas gesagt. Aber Evelyn – das ist etwas anderes. Evelyn umgibt etwas Geheimnisvolles, etwas Verruchtes. Sie kenne sich aus mit Männern, munkelt man im Dorf, professionell sogar. Der Mercedes mit dem Großstadt-Kennzeichen, der nachts manchmal vor ihrem Haus hält, das ist ja wohl eindeutig und Beweis genug. Durch die Operation Frischluftkur weiß Marlies natürlich, dass an den Gerüchten nichts dran ist, aber dieses Wissen lindert nichts an dem Bild, was sie von Evelyn hat: das der unendlich selbstbewussten Frau. Manchmal wünscht sich Marlies, sie könnte sich wenigstens wünschen, sie wäre so wie Evelyn. Aber das scheint ihr einfach zu weit weg.
    Abends um acht klingelt Evelyn bei Marlies. Diese hat Tee mit exotischem Fruchtaroma gekocht, in Knurres Kramerlädchen sind gerade Karibik-Wochen. Auf dem kleinen runden Tisch im Wohnzimmer liegen, exakt aufeinander gestapelt, siebzehn rote Schulhefte, alle bis zum letzten Blatt mit erregter Kleinmädchenschrift vollgeschrieben.
    In den perfekt manikürten Händen ihrer Kollegin sehen die Hefte einfach schäbig aus, findet Marlies. Aber Evelyn blättert und blättert und liest und nickt anerkennend. Man könnte sie glatt für eine Expertin in Sachen Literatur halten statt für eine Supermarktverkäuferin mit zweifelhaftem Privatleben.
    »Du bist wirklich begabt«, sagt Evelyn schließlich, als könnte sie das ganz selbstverständlich beurteilen. »Darf ich das mal mitnehmen? Ich möchte es einem Freund zeigen.«
    Nein, bloß nicht , will Marlies rufen, aber sie ist so geschmeichelt und gleichzeitig so überrumpelt, dass sie das tut, was sie immer tut: Sie sagt gar nichts.
    Evelyn wertet das Schweigen als Zustimmung und verstaut die Hefte in ihrer Umhängetasche. Sie nippt an dem Tee, versucht ein wenig mit Marlies darüber zu plaudern, welche exotischen Früchte man da wohl rausschmecken soll, bei ihr würde sich das immer nur so pelzig auf der Zunge anfühlen.
    »Passionsfrucht«, sagt Marlies leise, »das Pelzige ist Passionsfrucht.« Aber das Gespräch kommt nicht richtig in Gang, weil Marlies zu schüchtern ist und Evelyn lieber weiterlesen will.
    ***
    »Möchtest du unter deinem richtigen Namen veröffentlichen?«, fragt Evelyn zwei Wochen später, als Marlies gerade das Kühlregal bei Knurres mit neuen Länder-, Jahreszeiten-und Themen-Jogurts auffüllt. Marlies rutscht fast der Wiener Apfelstrudel-Delikatessquark mit 0,1 % Fett aus der Hand.
    »Wie bitte?« Immerhin, sie hat mal was gesagt.
    »Möchtest du unter deinem richtigen Namen veröffentlichen oder hättest du lieber ein Pseudonym? Ich würde dir ja zu einem Pseudonym raten. Sonst ist hier im Dorf die Hölle los, und es gibt beim Schützenfest wieder einen Eklat in der Sektbar. Erinnerst du dich noch an die Prügelei zwischen Heiner und dem Bürgermeister um Monique? Aber ich schweife ab: Ein Freund von mir ist Lektor bei einem großen Verlag. Der will das, was du geschrieben hast, veröffentlichen. Als Buch. Den Vertrag schickt er dir zu. Jetzt brauchst du nur noch ein Pseudonym – wenn du denn eins willst.«
    Marlies überlegt. Ein Pseudonym. Das klingt nach großer, weiter Welt, nach Erfolg, nach Filmstar, nach Geheimnis. Wie wäre es mit Püschel-Knies? Das hat sie mal irgendwo gelesen, das klang gut. Doch dann fällt ihr ein, dass diese Frau eine Heiratsvermittlerin ist, das geht also nicht. Sie starrt auf die Jogurts. Doch auch dort findet sie nicht die nötige Inspiration. Dann denkt sie an ein Spiel, das sie als Kind immer gespielt hat: Wörter rückwärts lesen. Ein stilles, einsames Spiel, aber ihr hat es viel Spaß gemacht.
    »Seilram«, sagt sie.
    Evelyn guckt sie verwirrt an. »Seiwas?«
    »Seilram«, wiederholt Marlies und erschrickt ein wenig über den Nachdruck in ihrer Stimme.
    »Seltsamer Name. Aber du bist hier die Künstlerin.«
    Eine Künstlerin? Hat Evelyn das wirklich gesagt? Marlies wird ganz warm,

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