Frischluftkur: Roman (German Edition)
erleben, du kannst dich nicht immer in Papas Puff hinter dem Tresen verkriechen!«
Nee, denkt Jule, das kann ich wirklich nicht, das will ich auch nicht länger. Aber sie ist doch jetzt mit Romeo – wie soll sie es nennen: vermuschelt? Da kann sie nicht mit einem anderen ausgehen. Wie sähe das denn aus? Aber natürlich kann sie ihrem Vater nicht den wahren Grund ihres Unwillens nennen.
»Ist das nicht viel zu gefährlich?« fragt sie stattdessen.
»Zu gefährlich? Der Feuerwehrball? Kind, jetzt sei mal nicht albern!«
Albern, stimmt, er hat Recht. Trotzdem. »Man hört so viel von Disco-Unfällen. Gerade neulich erst ist doch ein Wagen auf dem Heimweg vom Schädel ...«
»Papperlapapp«, schneidet ihr Vater ihr das Wort ab. »Der Ralf fährt ordentlich. Sonst drehe ich ihm eigenhändig den Hals um.«
Jule fragt sich, ob er das nicht schon eher machen könnte, dann wäre sie das Problem wenigstens los.
»Und stell dich nicht so an«, fügt ihr Vater hinzu. »Andere Mädchen wären froh, wenn der Ralf mit ihnen ausgehen würde.«
Sollen sie doch , denkt Jule. Okay, Ralf sieht gut aus, für ihren Geschmack aber zu gelackt. Seine Haare trägt er wie ein Daily-Talk-Moderator vor ein paar Jahren, also vorn zu einem eitlen Bürzel getürmt. Unter dem stets kleinkarierten Jackett spannt sich ein von Muttern gebügeltes T-Shirt über dem im Fitnesscenter in Form gehaltenen Brustkorb. Beim Gehen wackelt Ralf ganz seltsam mit den Hüften. Nein, der ist wirklich nicht Jules Typ. Trotzdem lenkt sie ein: »Okay. Aber er muss mich nicht abholen. Ich bin vorher mit Freundinnen verabredet und treffe ihn dann direkt im Festzelt.«
»Freundinnen?«, fragt ihr Vater zunächst irritiert nach, denn Jule hatte nie welche. Doch dann gibt er sich mit ihrer Zustimmung zufrieden. Sollen sie sich doch auf dem Ball treffen, das wird reichen. Ein paar Tänzchen, alle sehen es und auf dem Heimweg kann Ralf seine Verführungskünste spielen lassen dann hat er ihn im Sack, pardon, in der Familie. Eine höchst wünschenswerte Verbindung! Das wird auch Jule einsehen.
Freundinnen , denkt Jule, ja, wäre schön, wenn es die gäbe. Sie hätte immer gerne welche gehabt, eine wenigstens, aber wer darf oder will schon mit dem Mädchen aus dem Puff spielen? Und die Frauen, die in den Etablissements ihres Vaters arbeiten, wechseln zu häufig, um sich richtig mit ihnen anzufreunden.
Als letzte Rettung fallen Jule die vier Jungen Landfrauen ein. Ja, die werden ihr helfen können.
***
»Jule soll mit Ralf zum Feuerwehrball gehen«, sagt Tina.
»Auweia!«
»Und nun?«, fragt Hanna.
»Na ja«, sagt Tina, »das wäre wohl das Ende der wunderbaren Romanze zwischen Romeo und Jule. Wer auf dem Feuerwehrball zusammen auftaucht, ist so gut wie verlobt. Und Romeo sitzt in der Kaserne fest und kann nichts für seine Liebste tun.«
»Am besten wäre es, wenn Jule einfach nicht hingeht«, meint Petra.
»Das habe ich ihr auch schon vorgeschlagen«, sagt Tina. »Aber Jule sagt, das würde ihr Vater nie zulassen. Der würde sie notfalls selbst hinschleifen und an Ralf festbinden. Sie wäre nur entschuldigt, wenn sie tot wäre.«
»Das ist ja nicht wirklich eine Lösung«, bemerkt Hanna.
»Aber das bringt mich auf eine Idee: Wie wäre es, wenn Jule so gut wie tot wäre?«, sagt Petra. »Nicht mehr ansprechbar?«
»Wir wollten doch Leute retten, nicht um die Ecke bringen«, erinnert Hanna an einen Ursprungsgedanken der Operation Frischluftkur.
»Wir werden auch Unglück verhindern«, sagt Petra. »Da muss man manchmal unkonventionelle Wege gehen.«
»Wir könnten mit ihr Komasaufen«, sagt Tina. »Wir müssten nur rechtzeitig am Nachmittag anfangen.«
»Nein, viel einfacher«, sagt Petra. »Wir geben ihr K.o.-Tropfen. Dann läuft garantiert nichts zwischen ihr und Ralf.«
»Oder eben gerade. Dann ist sie doch total gefügig, und Ralf wird das ausnutzen«, wendet Hanna ein.
»Dann geben wir ihm eben auch K.o.-Tropfen. Dann sind wir auf der sicheren Seite«, erweitert Petra den Plan.
»Und woher bekommen wir deine Wunderwaffe?«, fragt Hanna.
»Edith«, sagt Marlies trocken.
»Klar, woher denn sonst!«, stimmen die anderen begeistert zu.
***
Edith ist gestresst. Dieser Sonderauftrag ist komplizierter, als sie sich das vorgestellt hatte. Es lief alles zögerlich an, die ausgewählten Kandidatinnen durften ja keinen Verdacht schöpfen. Dann diese Scheu vor der Technik. Die haben wochen-, nein, monatelang das wunderbare Equipment nicht angerührt. Da
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