Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Friss oder stirb

Friss oder stirb

Titel: Friss oder stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G. Arvay
Vom Netzwerk:
wenn wir das Wort „Bergbauer“ hören, gerne an romantische Almen und vogelfreie Kühe im Gebirge denken, wie sie uns in der Werbung vorgespielt werden, ist die juristische Definition eines Bergbauern in Österreich gar nicht so idyllisch. Als „Bergbauer“ zählt formal jeder landwirtschaftliche Produzent, der unter erschwerten Bedingungen wirtschaftet. Stolze 80 Prozent der Fläche Österreichs gelten als Bergbauerngebiete, weil die betreffende Verordnung nicht nur Flächen mit steiler oder erhöhter Hanglage als Bergbauernregionen ausweist, sondern auch anderweitig benachteiligte Regionen. Neben klimatischen Benachteiligungen zählen dazu auch Kriterien wie die Entfernung zur nächsten Bushaltestelle, zum Bezirkshauptort oder zum nächsten Bahnhof. Selbst im flachen bis sanft-hügeligen Burgenland, dem östlichsten Bundesland Österreichs, finden wir per definitionem Bergbauern. Der Bergbauernbegriff steckt voller positiver, werbewirksamer Konnotationen und macht sich gut auf Etiketten, sagt aber – vor allem in der vorliegenden Form – weder etwas über die Qualität der Milchprodukte noch über das Wohlergehen der Milchkühe aus.

IV. Es geht auch anders
    Bio-Obstbau ist natürlich auch ohne Überschwefelung und Einsatz von industriellen Spritzmitteln möglich und sollte erst dann die Bezeichnung „ökologisch“ verdient haben. Lebensmittel können – selbstverständlich – produziert und vermarktet werden, ohne dass dabei die Hälfte als Abfall anfällt und Unmengen an genusstauglicher Ware einfach aussortiert werden. Hühner und Puten können auf eine Weise gehalten werden, die mit dem Begriff „artgemäß“ noch vereinbar ist und nicht zur Verwüstung von Grünflächen führt. Brot und Milchprodukte müssen nicht zwangsläufig von den Fließbandanlagen der Großindustrie ausgespuckt werden, und kleinere sowie mittlere landwirtschaftliche Betriebe könnten in Zukunft wieder eine Chance haben. Die Schlachtung von Tieren ist auch ohne die unzumutbaren Massentiertransporte und abseits der Akkordschlachthöfe möglich, und klarerweise gibt es auch Alternativen dazu, dass Küken auf Fließbandanlagen zur Welt kommen und dabei die männlichen Tiere automatisch getötet werden. Es gibt zukunftsfähige Konzepte und Wege der sinnvollen und ethisch vertretbaren Lebensmittelproduktion, in der es nicht ausschließlich um Kommerz und Profit geht.

    Im Rahmen meiner Reise durch Europa sah ich mir zahlreiche vorbildlich wirtschaftende, ökologische Betriebe und landwirtschaftliche Projekte an, die fast alles anders machen als in der Großproduktion für Supermärkte und Discounter. Sie haben allesamt eines gemeinsam: Sie arbeiten unabhängig von der Industrie und stehen nicht unter Vertrag mit den Lebensmittelkonzernen, die im Handel den Ton angeben.
    Artgerechte Hühnerhaltung
    Am Beispiel des Bio-Bauern Carsten Bauck in Niedersachsen habe ich bereits gezeigt, dass die Haltung von kleineren Geflügelgruppen mit einigen hundert Tieren in mobilen Einzelställen, die auf Kufen oder Rädern über das Grünland bewegt werden, zu einer drastischen Verbesserung der Lebenssituation der Tiere führen kann. Dies ist sowohl bei Legehennen als auch bei Masthühnern und Mastputen der Fall.
    In East Sussex in England besuchte ich den Bio-Bauern Daniel Hobericht, der aus den Niederlanden nach Großbritannien gezogen ist und auf seiner 20 Hektar großen Farm Äpfel, Birnen und eine Vielzahl an Beerenobst kultiviert. Auf seinem Hof leben außerdem insgesamt 2.000 bis 2.500 Bio-Legehennen in mobilen Stalleinheiten, von denen die größte 475 Tiere beherbergt und einmal pro Jahr ihren Standort wechselt. Der Rest der Tiere ist auf zwölf noch kleinere Einzelställe verteilt, von denen jeder im Schnitt 130 Hennen umfasst. Diese Ställe werden einmal pro Woche bewegt.
    Das Trickreiche an Daniel Hoberichts Art, Bio-Eier zu produzieren, ist, dass die mobilen Einzelställe in die vielfältige Obstanlage integriert sind und sich die Hennen optimal über die Fläche verteilen. Dies führt zu zwei gravierenden ökologischen Vorteilen:
    Als ich im Oktober 2012 einen ganzen Tag auf Daniels Farm verbrachte, stellte ich fest, dass sich der überwiegende Teil der Hühner von früh bis spät im Freien aufhielt.
    „Der Großteil unserer Legehennen befindet sich das ganze Jahr über unter freiem Himmel“, bestätigte Daniel meinen Eindruck. „Wir sind sozusagen das genaue Gegenteil der Bio- und Freiland-Industrie, wo zu jedem Zeitpunkt weit

Weitere Kostenlose Bücher