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Friss oder stirb

Friss oder stirb

Titel: Friss oder stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G. Arvay
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Brei verarbeitet. Küken routinemäßig zu vernichten ist einfach der falsche Ansatz. Außerdem gibt es bei uns keine Fließbänder und alles ist Handarbeit.

    Clemens G. Arvay : War es in Ihrem Betrieb immer schon so, dass keine Küken vernichtet werden mussten?

    Christian Hetzenecker : Nein, leider nicht. Ich muss sagen, dass das Töten der männlichen Küken üblich wurde, nachdem die industrielle Eierproduktion so überhandgenommen hatte. Bis vor etwa zehn Jahren vernichteten auch wir unsere männlichen Küken. Wir ertränkten sie. Ich konnte diese Praxis aber bald nicht mehr vertreten und kam zu dem Schluss, dass „Bio“ und die industrielle Kükenvernichtung auf keinen Fall zusammenpassen. Die logische Konsequenz war, auf alte Rassen zurückzugreifen, die Eier legen und Fleisch ansetzen.
Vor ein paar Jahren bekam ich dann ein Angebot aus der Industrie. Ich hätte pro Jahr 600.000 Küken von herkömmlichen Hybridlegehennen liefern können, das ist eine ordentliche Menge. Aber stellen Sie sich vor: Für dieses Geschäft hätte ich jedes Jahr dieselbe Anzahl, also 600.000 männliche Küken, töten müssen. Das ist doch verrückt, ich habe das Geschäft abgelehnt. Es ist aber nicht immer leicht, konsequent zu bleiben, weil der Druck seitens der Industrie immer größer wird.
Auch in der Putenzucht wird es immer schlimmer: Die Tiere werden bei der künstlichen Befruchtung zweimal pro Woche „vergewaltigt“ – anders kann man das nicht nennen. Da wird der Kopf der weiblichen Pute, nachdem sie wüst eingefangen wurde, zwischen die Knie eines Mitarbeiters geklemmt, die Henne fixiert und der Samen wird ihr durch ihre Genitalien in ihren Körper gespritzt. Die Tiere wehren sich heftig, haben großen Stress. Das ist pure Gewalt, auch für die Bio-Produktion. Bio-Putenküken gibt es ohnedies keine, die Bio-Industrie greift immer auf konventionelle zurück.

    Clemens G. Arvay : Die Industrie behauptet, dass der Einsatz von Rassegeflügel wirtschaftlich auch in der biologischen Produktion undenkbar sei und es keine Alternative zu konventionellen Hybriden gäbe – bei Hühnern ebenso wie bei Puten.

    Christian Hetzenecker : Ja, das sagen sie immer wieder. 2009 gab es einen Versuch im Auftrag eines Discounters, für den die Wirtschaftlichkeit meiner Hühnerrasse Le Bleu getestet wurde. Aber kein einziges dieser Rassehühner ist je in den Regalen des Konzerns gelandet. Weil man die Tiere vier Wochen länger hätte mästen müssen – also statt nur acht wären es zwölf Wochen gewesen – und weil die Futterverwertung nicht lukrativ genug war, hat man behauptet, Rassehühner oder Zweinutzungshühner seien wirtschaftlich nicht ertragreich genug. Ich bezweifle das.

    Clemens G. Arvay : Was aber ist dann das Problem? Warum vernichten wir sogar in der Bio-Produktion unvorstellbare Massen an männlichen Küken, anstatt auf Rassegeflügel und Zweinutzungshühner umzusteigen?

    Christian Hetzenecker : Das Problem bringen die Supermärkte und Discounter selbst mit sich. Bio boomt im Supermarkt, aber nicht beim Landwirt. Die niedrigen Preise sind problematisch, die die Bauern bekommen, wenn sie an die Industrie liefern müssen. Alles, was im Supermarkt verkauft wird, wird in riesigen Einheiten produziert, ob nun Bio oder Konventionell. Bei solchen Mengen kommt es auf jeden Cent an und die Preise sind scharf kalkuliert. Die Ware geht durch zahlreiche Hände: Bei Geflügel sind es die Brüterei, der Mäster beziehungsweise Legehennenhalter, die Schlachterei, der Zwischenhandel und schließlich der Supermarkt. Beim Landwirt bleibt wenig hängen, alle in der Kette wollen etwas verdienen, sodass das Ausgangsprodukt möglichst billig sein muss. Das geht bei Rasse- und Zweinutzungshühnern nicht, weil diese 15 Prozent weniger Eier legen, während ihr Futterverbrauch 10 Prozent höher liegt und da können dann die Konzerne nicht mehr so viel mitverdienen, wie sie gewohnt sind. Solche Rassen können nur ohne Einschaltung der Industrie und der Supermärkte eingesetzt werden.

    Clemens G. Arvay : Wie könnte man das Problem lösen?

    Christian Hetzenecker : Es ist eigentlich ganz einfach: Lebensmittel sind bei uns nichts wert, sie werden in Massen produziert und es wird viel davon weggeworfen. Das muss sich ändern. Wir brauchen gar nicht so viel zu produzieren und wir essen ohnedies zu viel Fleisch, was nicht gesund ist. Und das sage ich als Geflügelbauer! Es wäre besser, weniger Fleisch zu essen und dieses dafür aus regionalen Märkten

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