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Friss oder stirb

Friss oder stirb

Titel: Friss oder stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G. Arvay
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den Aspekt der Zukunft in unsere Böden bringen“. Peter Segger ist seit 1974 Ökobauer auf der Bleancamel Farm in Ceredigion in West-Wales. Er hat die Zeit der Bio-Pioniere miterlebt und ist den Grundwerten des ökologischen Landbaus bis in die Gegenwart seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit treu geblieben. Die Bleancamel Farm betreibt er gemeinsam mit Anne Evans, die ebenfalls bereits in den 1970erJahren Teil der Ökolandbau-Bewegung war. Anne erklärte mir, warum ihr Betrieb den Namen „Bleancamel Farm“ trägt und was dieser bedeutet: „ Bleancamel ist ein Wort aus dem walisischen Gälisch. ,Blean‘ bedeutet ,der Rand von etwas‘ und Camel heißt unser kleiner Fluss – man kann ihn bis hierher hören.“ Wir standen in einem der Glashäuser und das Rauschen des Flusses drang bis zu uns herein. Es war ein nebelverhangener, regennasser Tag und ich war froh, dass wir unser Gespräch im Schutz des Gewächshauses führen konnten. Meine neuen, matschfesten Schuhe sahen aus, als hätte ich sie jahrelang nicht mehr gereinigt. Sie waren regelrecht eingehüllt in eine zentimeterdicke Schicht aus fest gewordenem Schlamm. Es war mein zehnter Tag in Wales und ich hatte die Sonne während meines bisherigen Aufenthalts kaum zu Gesicht bekommen. „Das Jahr 2012 war entsetzlich nass“, blickte Peter Segger auf die Saison zurück – es war schon Oktober. „Dass man hier in West-Wales das ganze Jahr über in Gummistiefeln lebt, sind wir schon gewohnt, aber in diesem Jahr rinnt uns der Boden unter den Füßen regelrecht davon. Unsere Freilandkulturen leiden extrem darunter, nur der Lauch gedeiht großartig unter diesen Bedingungen.“
    „Kein Wunder“, dachte ich mir, „dass der Lauch als eines der offiziellen Embleme von Wales gilt.“ Noch heute tragen manche Waliser diese Pflanze traditionellerweise am ersten Mai, dem Saint David’s Day, als Kopfschmuck. Der Legende nach soll Saint David seine Soldaten während einer Schlacht gegen die Sachsen, die in einem Lauchfeld stattgefunden haben soll, dazu angehalten haben, sich erkennbar zu machen, indem sie sich Lauchblätter auf den Helm steckten. „Der Lauch macht sich ausgezeichnet in unserem miserablen, klatschnassen Regenwetter!“, hatte mir erst am Tag zuvor ein anderer walisischer Bauer erklärt, während er, in einen langen Regenumhang gehüllt, unter seinem tropfnassen Hut auf das Lauchfeld blickte, von dem aus die kräftigen, dunkelgrünen und zu stabartigen Wuchsformen vereinten Blätter einen stolzen Meter in die Höhe ragten und dabei synchron im Wind wogten.
    Zurück auf die Bleancamel Farm: „Unser 20 Hektar großes Farmland ist wunderschön“, schwärmte Peter Segger. „Es ist eine Mischung aus Feldern und sehr alten Eichenwäldern. Wir haben hier einige seltene Pflanzenarten und viele unserer Kunden genießen es, sich im Sommer bei einem Spaziergang die Blüten anzusehen. Dazu haben wir eigene Wege angelegt, die sie benutzen können. Auf unseren Weiden leben Schafe und unsere Glashausflächen, wo wir Feingemüse anbauen, betragen insgesamt circa 4.000 Quadratmeter.“ Dann kniete sich Peter mitten im Glashaus auf den Boden und begann, in der dunkelbraunen, fast schwarzen, lockeren Erde zu graben. Dieser Anblick ließ mein Biologen-Herz höher schlagen. Die Erde war so feinkrümelig und derart reich an Humusstoffen, wie ich es – insbesondere in einem Gewächshaus – selten zuvor gesehen hatte. [ Abb. 22 ]
    „Ich möchte, dass Sie sich diesen Boden ansehen“, sagte Peter Segger, während er mit seinen bloßen Händen immer tiefer grub. „Das ist einfach wunderbarer, perfekter Humus! Wir haben ihn aufgebaut, indem wir Kompost einsetzten – wirklich guten Kompost. Und wir glauben aus verschiedenen Gründen ganz fest an das, was wir hier tun – vor allem, weil durch den Humusaufbau einfach das brillanteste Gemüse wächst, das großartig schmeckt und sehr ertragreich ist. Wir Bauern sollten den Boden, der in den meisten Regionen sehr in Mitleidenschaft gezogen ist, aber nicht nur wiederaufbauen und zu dem machen, was er einmal war, sondern unser Ziel sollte es sein, den Boden sogar noch besser zu machen. Das meinte ich, als ich vorhin sagte, wir müssten den Aspekt der Zukunft in unsere Böden bringen. Es reicht nicht aus, den Boden einfach so zu belassen, wie er ist. Das ist ein dynamisches System, das sich immer weiter verbessern muss. Alles kommt aus dem Boden! Und wenn man das verstanden hat, hat man eine Zukunft, egal ob man eine kleine

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