Friss oder stirb
wichtigste Frage, die sich Landwirte Ihrer Meinung nach stellen sollten?
Anne Evans : Es ist nicht genug, einfach nur zu produzieren, das ist ohnedies kein besonderer Auftrag. Es reicht noch nicht einmal aus, regionale Lebensmittel zu erzeugen. Die Frage ist: Werden wir es als Bauern schaffen, unsere Betriebe an unsere Kinder weiterzugeben – sofern sie das möchten – und dies auf eine Weise, sodass sie die Chance haben, zu überleben?
Peter Segger : Und angesichts des Klimawandels und der immer höher schießenden Erdölpreise sowie sonstigen Kosten gibt es nur einen Weg, um eine Farm in Zukunft am Leben zu halten: Wir müssen immer weniger zukaufen – das betrifft auch Saatgut – und wir müssen von der Industrie unabhängig werden. Die Bauern müssen autonom werden, um zukunftsfähig zu sein!
Clemens G. Arvay : Was unternehmen Sie, um dieses Ziel für die Bleancamel Farm zu erreichen?
Peter Segger : Wir bauen unsere Böden mit Kompost auf, haben angefangen, selbst den Strom für unsere Farm zu produzieren und reduzieren die fossilen Brennstoffe, die wir einsetzen. Wir pflanzen wieder Bäume auf unserem Land und legen Hecken an, die verloren gegangen sind. All das führt nicht nur dazu, dass wir weniger Kohlendioxid in Umlauf bringen, sondern wir tragen auch dazu bei, mehr davon aus der Atmosphäre zu binden. Wir können durch Messungen belegen, dass der gesunde, humusreiche Boden Kohlendioxid aus der Atmosphäre entzieht und so dem Klimawandel entgegenzuwirken vermag.
Seit 15 Jahren verwenden wir keinerlei biologische Düngemittel mehr, da alles, was der Boden braucht, aus unserem Kompost kommt. Auch unsere Produktivität nimmt dabei immer mehr zu. Wenn mich die Leute fragen, ob eine so kleine Farm wie unsere ökonomisch tragfähig sein kann, dann gibt es nur eine Antwort: Ja, natürlich kann sie das sein, aber man muss es richtig machen!
Clemens G. Arvay : Ich konnte während meines Besuchs auf Ihrer Farm feststellen, dass Sie beide ein sehr gutes Verhältnis zu Ihren Angestellten haben. Offenbar behandeln Sie diese vom zwischenmenschlichen Standpunkt aus betrachtet sehr respektvoll und ich habe den Eindruck, Ihre Leute werden nicht unter Druck gesetzt. In der Bio-Industrie stellte sich die Situation der Arbeiter oft ganz anders für mich dar. Nicht nur, dass biologisches Gemüse für Supermärkte und Discounter inzwischen sogar in der „Agrarwüste“ Almería in Spanien erzeugt wird, wo bekanntlich ausbeuterische Arbeitsverhältnisse vorherrschen. Auch in der deutschen, österreichischen und schweizerischen Agrarindustrie stehen harte Arbeitsbedingungen an der Tagesordnung – bei Bio und Konventionell. Beispielsweise führte ich ein Interview mit einem Erntehelfer auf einem großen Bio-Gemüseanbaubetrieb in Österreich, nachdem ich mich dort einen halben Tag lang selbst umgesehen hatte. Im Rahmen meines ausführlichen Besuchs in dem Betrieb konnte ich mir von dem rauen Umgangston und den harten Arbeitsbedingungen der Migrantinnen und Migranten, die hier jedes Jahr als Saisoniers eingestellt werden, ein lebhaftes Bild machen. Ich führte außerdem ein Interview mit einem der Erntehelfer aus Ungarn, in dem mein Eindruck bestätigt wurde. Er erzählte mir, dass in diesem Bio-Gemüseanbaubetrieb „wüste Beschimpfungen an der Tagesordnung“ stünden und er sich „oft erniedrigt“ fühle. Lob gäbe es so gut wie nie, erfuhr ich, und „wir müssen immer noch mehr schaffen, noch schneller sein“. Außerdem würden oft weder Feiertage noch Sonntage eingehalten. Sein Stundenlohn liegt genau am gesetzlichen Minimum, das für die Tätigkeit der Erntehelfer in Österreich festgelegt wurde: 6,24 Euro.
Würden Sie sagen, dass ein fairer und sozial respektvoller Umgang mit Menschen zur Idee des Ökolandbaus dazugehören sollte?
Peter Segger : Wir kennen dieses Problem! Auch in der britischen Agrar- und Bio-Industrie werden Migranten aus Osteuropa, Afrika und teilweise auch aus Asien unter sozial fragwürdigen Bedingungen eingesetzt. Sie werden schlecht behandelt und oft werden die ohnedies schon niedrigen Mindestlöhne sogar ignoriert oder umgangen. Das ist in ganz Europa, ja auf der gesamten Erde so.
Aber um die Frage zu beantworten: Ja, ich bin der Meinung, dass ökologische Produktion auch den Umgang mit Menschen und deren Arbeitsbedingungen umfassen sollte. Nachhaltige Landwirtschaft ohne nachhaltige zwischenmenschliche Beziehungen ist unmöglich. Außerdem gibt es ja auch eine soziale
Weitere Kostenlose Bücher