Friss oder stirb
Nachhaltigkeit. Ich finde aber, dass der Umgang mit Menschen generell wichtig sein sollte, nicht nur in der biologischen, sondern auch in der konventionellen Landwirtschaft. Das Problem sind – wieder einmal – die Betriebsdimension und die Wirtschaftsweise. Auf großen, industriellen Farmen herrscht bis zu sieben Tage pro Woche die Akkordarbeit vor, beim Säen und Ernten, Sortieren und Verpacken. Und das sind keine angenehmen Tätigkeiten. Auf kleinen Höfen wie unserer Bleancamel Farm fallen zahlreiche unterschiedliche Arbeiten an. Unsere Mitarbeiter haben verschiedenste Aufgaben, für die sie auch das Know-how brauchen, das sie sich im Laufe der Zeit aneignen. Sie müssen in der Lage sein, mit Schafen und anderen Tieren zu arbeiten, Gemüse und Obst zu kultivieren, sich um unsere Kunden zu kümmern und so weiter. Akkordarbeit gibt es bei uns keine.
Anne Evans : Hinzu kommt, dass man auf kleineren Farmen wie unserer als Team arbeitet, in dem Menschen verschiedener Generationen vertreten sind. Wir haben nur Langzeitarbeitskräfte, die wir in die meisten unserer Entscheidungen einbinden.
Peter Segger : Die Arbeitsbedingungen in der Agrar- und Bio-Industrie, die an die Sklaverei erinnern, können gestoppt werden. Es ist nur eine Frage des Bewusstseins. Journalisten sind aufgefordert, über diese Arbeitswelten zu berichten und aufzuzeigen, wie Menschen in der Lebensmittelindustrie behandelt werden. In diesem Punkt hoffe ich wirklich auf die Medien! Die Industrie- und Handelskonzerne würden es hassen, wenn man ständig im Fernsehen sehen oder im Radio hören könnte, unter welchen Bedingungen Menschen unsere Nahrung herstellen. Dann müssten sie umdenken, müssten etwas ändern. Wenn wir genug Lärm machen, werden die Supermärkte und Discounter keine andere Wahl haben und etwas ändern müssen .
Clemens G. Arvay : Wie vermarkten Sie das Gemüse und die übrigen Erzeugnisse der Bleancamel Farm?
Peter Segger : Wir haben keine guten Erfahrungen mit den Handelskonzernen. In den 1990ern gehörten wir zu den Ersten, die an Supermärkte lieferten. Doch irgendwann kam dann der Punkt, an dem wir unser Gemüse aus dem westlichen Wales in den Osten von England hätten liefern müssen, von wo es dann über ganz Großbritannien verteilt worden wäre. Über diesen Umweg wären unsere Erzeugnisse zum Teil sogar wieder hier in West-Wales in den Supermarktfilialen gelandet. Das ist völlig verrückt! Wir fanden diese Idee ökologisch nicht sinnvoll und hätten uns die weite Anlieferung ans andere Ende des Landes gar nicht leisten können, also gaben wir die Zusammenarbeit mit Supermärkten wieder auf. Und das war großartig, denn in der Zwischenzeit hatten sich neue Kanäle für Direktvermarkter entwickelt. Die Idee der Bio-Kiste war entstanden und immer mehr ökologische Bauern fingen an, biologische Erzeugnisse direkt an die Verbraucher zuzustellen. Zuerst lieferten wir an einen Bio-Kistenzusteller, der eigentlich nichts anderes als ein Händler war und der, so wie die Konzerne, immer größer wurde. Sie wollten dort ganze Lastwagen voll Gemüse, aber wir produzieren nun einmal nicht so viel. So gaben wir auch diese Zusammenarbeit wieder auf, weil wir einen wichtigen Grundsatz haben: Wir möchten nicht größer werden, sondern uns mit dem Stück Land beschäftigen, das wir derzeit haben. Wir glauben, es ist – auf globaler Ebene – der falsche Weg, dass landwirtschaftliche Betriebe wachsen und wachsen. Wir brauchen kleinstrukturierte, vielfältige Betriebe, die unabhängig sind. Dann haben auch wieder mehr Bauern die Chance, ihre Höfe über Wasser zu halten.
Anne Evans : Wir stellten dann mit einem unserer Söhne ein eigenes Zustellservice für Bio-Kisten auf die Beine. Unsere Erzeugnisse werden an Haushalte und Restaurants in und rund um Cardiff geliefert, das ist die Hauptstadt von Wales. Außerdem haben wir hier auf unserer Farm einen eigenen Hofladen.
Das Konzept der Bio-Kiste (auf Englisch: „organic box scheme“), das von Peter Segger und Anne Evans auf der walisischen Bleancamel Farm umgesetzt wird, erfreut sich in ganz Europa großer Bekannt- und Beliebtheit. Bei der Bio-Kiste sind grundsätzlich die folgenden Vermarktungsformen zu unterscheiden:
Vermarktungsformen von Bio-Kisten (organic box schemes)
Die Bio-Kiste als Handelsform
Wenn ein Unternehmen Ware in großen Mengen zukauft und dann über die Zustellung von Bio-Kisten an die Verbraucher vermarktet, wird das Konzept als eine Form des
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