Friss oder stirb
Zeitgenossen,
die „über alles schimpfen, über die Politik generell losziehen, sich an populistische Führer anhängen, sich selber aber immer außerhalb der politischen Bühne positionieren. Sie fühlen sich nur als Zuschauer und übernehmen keine Verantwortung.“
Zu welcher Gruppe wir uns selbst auch immer zählen mögen, Tatsache ist, dass wir uns aufraffen und tätig werden müssen, um Veränderungen zu bewirken. Der erste Schritt ist die Kündigung des Einverständnisses gegenüber dem Bestehenden. Diese Kündigung des Einverständnisses erfolgt nach der Psychoanalytikerin und Psychologie-Dozentin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, Thea Bauriedl, in folgenden Schritten [54] :
Die Kündigung des Einverständnisses nach Thea Bauriedl:
1) innere Kündigung („Ich spiele da nicht mehr mit“)
2) äußere Kündigung durch Zeigen und Artikulieren des Widerstandes
3) neu einsteigen und mittragen von Veränderungsprozessen
Ferner betonen die Agrarsoziologen Josef Krammer und Franz Rohrmoser die Bedeutung des Brechens von Tabus und des Verstoßes gegen Schweigepflichten als wichtige Maßnahmen für Veränderung. Wie kämen die Menschen an die Information, wenn es nicht immer wieder Whistleblowers gäbe, die die tatsächlichen Umstände und Zustände in Wirtschaft und Politik, die hinter der schönen, aber bröckelnden Fassade liegen, an die Öffentlichkeit bringen?
„Den Machthunger der Lebensmittelkonzerne zu brechen“, das klingt schon wieder so „reißerisch“, wie die Kritiker meiner Arbeit zu sagen pflegen. Aber was bedeutet es eigentlich? Es sollte ja nicht unser Ziel sein, irgendwelchen Konzernen zu schaden, sondern vielmehr muss es uns darum gehen, am Aufbau nachhaltiger und ökologischer Strukturen zu arbeiten. Die kleinstrukturierte Landwirtschaft und dezentrale Lebensmittelversorgung zu fördern und zu einer wirtschaftspolitisch schlagkräftigen Alternative zu machen, kommt allerdings zwangsläufig einer Kampfansage an die Lebensmittelkonzerne gleich, deren gesamtes Wirtschaften ausschließlich auf Zentralisierung und Industrialisierung beruht. Durch die Förderung dezentraler Strukturen kann man ihnen so richtig gefährlich werden, sei es nun gewollt oder ungewollt, weshalb mit Gegenwind zu rechnen ist. Der Aufbau von Alternativen muss natürlich das eigentliche Ziel sein. Er zieht aber nach sich, dass die Macht der Lebensmittelkonzerne im selben Maße zu bröckeln beginnt, in dem sich die Konsumenten für die Alternativen entscheiden.
Wir bestimmen über unsere Lebensmittel!
Der Einkauf direkt auf dem Bauernhof ist für die meisten Menschen nicht realisierbar und er ist aus ökologischen Gründen keinesfalls als Lösung geeignet. Man stelle sich die horrende Umweltbelastung vor, würden wir alle mit unseren Autos zu den Bäuerinnen und Bauern hinausfahren, um unsere Lebensmittel direkt aus Produzentenhand zu beziehen. Unterstützen wir hingegen regionale Bauern mit dezentralen Vermarktungsstrukturen, können wir eine Stärkung und ein Wachstum dieser Alternativen bewirken. Es empfiehlt sich also, sich einen vertrauenswürdigen Bioladen, Bauernmarkt oder Bauernladen in der eigenen Wohngegend zu suchen.
Doch die wirklich potenten Lösungsansätze sind mit Engagement und aktiver Beteiligung von Konsumentinnen und Konsumenten, Produzentinnen und Produzenten verbunden. Wir müssen uns wieder mehr einmischen, wenn wir Lebensmittel möchten, die nach höheren ökologischen und ethischen Standards als jene der Industrie hergestellt werden. Die Schlagwörter lauten: Ernährungssouveränität und Lebensmitteldemokratie .
Ernährungssouveränität ist das Recht der Menschen, die Art und Weise der Produktion, des Konsums und der Verteilung von Lebensmitteln selbst zu bestimmen. Lebensmitteldemokratie ist der Zustand, in dem dieses Recht eingefordert und gesellschaftlich umgesetzt wurde – auch gegen den Willen der Industrie und der Lebensmittelkonzerne.
Eine andere Definition des Begriffes „Ernährungssouveränität“ fand ich im Internet. Sie lautet:
„[Wir] behalten die Souveränität über unsere Lebensmittel. Das heißt, dass wir selbst bestimmen können, woher unsere Lebensmittel kommen und von welcher Qualität sie sind.“ [55]
Bemerkenswerterweise stammt diese Definition ausgerechnet von ALDI SÜD in Österreich. Sie ist einem Werbetext auf der Homepage der Bio-Marke Zurück Zum Ursprung von HOFER entnommen. Österreichs größter Lebensmittel-Discounter hat also
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