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Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser

Titel: Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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mir das Gesicht. Ich zog die Jacke des Killers an, die ich über einen Stuhl gehängt hatte. Es war eine auffällige Jacke. Sie war aus großen Seidenkarrées in unterschiedlichen Farben zusammengesetzt. Rötlich, gelblich, pastellfarben und ein sanftes Lindgrün. Totchic, hervorragend verarbeitet und ein originales Einzelstück. Das sah ich auf einen Blick. Ich hatte ein geschultes Auge durch den Pelzladen meiner Mutter und das dortige Schneidern von kostbaren Pelzmänteln. Ein falscher Stich konnte einen teuren Zobel verderben. Meine Mutter bekam cholerische Ausbrüche, wenn sie den Fehler sah. Die Jacke war lausig teuer und bestimmt in Italien hergestellt. Es war aber nichts eingenäht, was den Hersteller der Jacke verriet.
    Ich besprühte mich noch aus einem Flacon mit Eau de Toilette ›Sauvage Extrême‹ und bildete mir ein, dass ein wunderbarer Abend auf mich wartete. Bevor ich ging, steckte ich die Atteste ein, die die Ärztin über Flüchtlinge und ihre Traumata geschrieben hatte.
    In die Jacke des Killers gekleidet und parfümiert schlenderte ich die Leonhardtstraße hinunter. Ich fand das schon etwas frivol, in dieser Jacke rumzulaufen. Die Lokale waren an dem sommerlichen Abend brechend voll. Die Luft schwirrte von den Stimmen und das Licht funkelte zwischen den Ästen und Blättern der Bäume.
    Es war jetzt kurz vor acht. Leider war draußen unter den Markisen kein Platz mehr frei. Ich setzte mich auf einen Hocker an den Tresen. Von dort aus konnte ich alles durch die großen Glastüren überblicken. Bernd machte Tresendienst.
    »Bernd, einen Grauburgunder«, bestellte ich. Die Ärztin wollte mit dem Rad kommen. Radfahrer gab es viele, die auf dem breiten Trottoir vorbeifuhren und einander umkurvten. Jetzt hielt eine Radfahrerin vor dem ›Dollinger‹ und stieg ab. Es war eine hochgewachsene Blondine, schlank und attraktiv. Ende 30, schätzte ich. Sie sperrte das Rad ab und musterte die Gäste, vielleicht suchte sie auch einen freien Platz. Sie holte aus dem Körbchen auf dem Gepäckträger einen kleinen Rucksack und kam herein. Ein paar Hocker weiter setzte sie sich ebenfalls an den Tresen. Sie trug ein luftiges, geblümtes Sommerkleid und schlug die Beine übereinander. Das Kleid rutschte ein gutes Stück über die Knie. Ich gewann ganz den Eindruck, dass sich mein Aufwand gelohnt hatte. Sie ließ ihren Blick über die leeren Tische schweifen, als suchte sie jemand. Das konnte nur ich sein. Die Welt lärmte draußen. Bernd servierte den Grauburgunder. Ihr Blick blieb an mir haften, dann an dem Weinglas, an dem ich gerade nippte.
    »Ich nehme auch einen Weißwein«, sagte sie zu Bernd.
    »Ich kann Ihnen nur den Grauburgunder empfehlen«, sagte ich.
    »Eine gute Wahl«, pflichtete Bernd bei. »Schön frisch. Wenig Säure.«
    »Dann nehme ich den doch.«
    Sie schaute wieder mich an.
    »Martha Klein?«, würde sie sagen.
    »Genau die«, würde ich gleich antworten, mein Weinglas nehmen und mich auf den Hocker neben ihr setzen. »Neuhaus«, würde ich mich vorstellen.
    Martha Klein scherte mich im Moment wenig.
    »Schön, dass Sie gekommen sind und mir nach einem bestimmt anstrengenden Tag in Ihrer Praxis Ihre Zeit opfern«, würde ich dann sagen.
    Der Satz käme bestimmt gut an. Signalisierte er doch Rücksichtsnahme und Verständnis.
    »Mein Mann versteht mich einfach nicht«, hatte schon so manche in meinen Armen geflüstert. Die Frau auf dem Hocker strahlte, als hätte ich den Satz bereits gesagt. Ich wollte mich erheben und mich neben sie setzen. Rechtzeitig bemerkte ich, dass das Strahlen nicht mir galt.
    »Elisabeth«, sagte ein deutlich jüngerer Mann, eine drahtige Gestalt in Shorts, die jetzt die Frau vom Hocker runter an sich zog und drückte. Könnte doch glatt ihr Sohn sein, dachte ich. Eine dieser Kindfrauen, die nie erwachsen werden.
    »Martha Klein?«, dröhnte es hinter mir. Ich wandte mich um. Ich wusste gar nicht, dass Alberich, der in der Unterwelt den Schatz der Nibelungen hütete, eine Schwester hatte. Aber da stand sie. Mit knallrotem Fahrradsturzhelm und Fahrradhosen bis zu den Knien. Knallgelbes Fahrradhemd. Um den Bauch eine überdimensionierte, prall gefüllte Gürteltasche gebunden. Dadurch sah die Gestalt reichlich gedrungen aus.
    »Martha Klein?«, dröhnte die Gestalt wieder.
    »Ja, ich«, sagte ich leise und hob wie in der Schule meinen Zeigefinger.
    Ihr Gesicht war unter dem Fahrradhelm kaum zu erkennen. Zumal sie noch eine Fahrradbrille trug.
    »Setzen wir uns hier an den

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