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Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser

Titel: Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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wir Ihnen helfen?«, fragte einer.
    »Nein, können Sie nicht«, sagte ich und ging.
    Ich lief bis zum Lietzensee. Am Charlottenburger Schloss vorbei links die Schlossstraße hoch. Die schönste Straße Berlins. Die barocken Patrizierhäuser haben große Vorgärten, in denen Stockrosen und Dahlien blühten. Eine solche Straße gibt es in Berlin sonst nirgends. Hier wohnten einst die Beamten der Preußischen Könige.
    Auf dem breiten Mittelstreifen, der beim Ägyptischen Museum anfing, vergnügten sich unter den Platanen die Boulespieler und tranken dabei Wein. Der Kies spritzte weg beim Aufschlag der Kugeln. Picknickkörbchen standen auf den Bänken.
    Am Lietzensee legte ich mich in den Schatten einer Erle direkt am Wasser. Am liebsten würde ich hier immer liegen bleiben. Ich war jetzt ein Mörder auf Bewährung, der die Mörderin fangen sollte. Von dem roten Haar auf der Schulter des Killers hatte ich natürlich nichts erzählt. Dieser arrogante Sack vom BND stank mir gewaltig. Was bloß hatte die Rothaarige mit dem zu schaffen? Sie schien sehr wichtig zu sein. Morgen würde ich nach Saarbrücken fahren. Nach 30 Jahren. Ich hatte bei dem Gedanken ein Gefühl, als stürzte mein Magen wie ein Fahrstuhl ohne Sicherung in einem Hochhaus ab. Das Amtsgericht lag direkt um die Ecke. Vielleicht war jetzt der Amtsrichter da. Ein gewisser Bernd Jacobs.
    Ich konnte etwas Aufmunterung gebrauchen. Warum ich sie von ihm erwartete, wusste ich auch nicht. Zumindest war er kein Freund des Polizeiärztlichen Dienstes. Martha Klein hatte sich blutige Nasen bei ihm abgeholt. Das machte ihn mir sympathisch. Ich erhob mich und hatte jetzt Grasflecken auf der hellen Leinenhose.
    Nach ein paar Minuten war ich beim Amtsgericht. Unterwegs ließ ich mir noch einmal die Situation auf der Polizeiwache durch den Kopf gehen. Das hatte ganz schön gekracht, wie ich dem den Schädel gegen die Wand klatschte. Das gefiel mir. Bestimmt war ein Blutflecken an der Wand. Der Tritt in die Eier war auch nicht von Pappe. Besonders gefiel mir, dass die gar nicht damit gerechnet hatten. Die fühlten sich ja total sicher und überlegen. Alleine schon von Amts wegen. Auf der Polizeiwache! Umgeben von Kollegen! Wie in Mutters Schoß! Dieses unsägliche Staunen im Gesicht des Bullen, als dem die Eier explodierten. Wo gibts denn so was? Das ist ja unvorstellbar! Wieso tritt der mir in die Eier? Das ist doch mein Job! Eben nicht, eben nicht! Das Lachen stieg in mir hoch, das immer in mir hochstieg nach solchen Situationen. Das Leben war eine Drehbühne.

10
    Im Amtsgericht war es angenehm kühl. Es war ein riesiger Sandsteinbau aus der Gründerzeit. Ich fragte beim Pförtner nach Jacobs.
    »Der hat gleich Sitzung. Fragen Sie mal in Zimmer 335. Vielleicht ist er da noch.«
    Ich fuhr mit dem Fahrstuhl in den 3. Stock. Der Fahrstuhl war so alt wie das Gebäude und ächzte und stöhnte beim Hochfahren. Bestimmt bekam er jetzt einen asthmatischen Anfall. Im 3. Stock roch es nach Bohnerwachs. Das hatte ich schon lange nicht mehr gerochen. Ein kleiner Mann mit einem Talar über dem Arm kam aus dem Zimmer 335. Ich stieß fast mit ihm zusammen.
    »Nanu, Herr Neuhaus«, sagte das Mäusegesicht mit den spitzen Zähnchen. »Was machen Sie denn hier?«
    Mir dämmerte. Herr Jacobs war der Richter, der vor Jahren einen üblen Spekulanten verdonnerte, den ich vor den Kadi geschleppt hatte. Das ganze Verfahren war eine Wonne.
    »Herr Jacobs, zu Ihnen will ich!«, rief ich.
    »Aha?«
    »Ich suche eine Frau Klein. Sie kennen Sie!«
    »Und ob!« Er schaute auf die Uhr. »Ein Viertelstündchen habe ich noch. Gehen wir wieder in mein Zimmer.«
    Wir betraten die 335. Der Raum bestand aus einem Tisch, zwei Stühlen und mit Akten überfüllten Regalen.
    »Setzen Sie sich und schießen Sie los.«
    Ich setzte mich. Ich hatte zu dem Richter absolutes Vertrauen. Außerdem brauchte ich fachkundigen Rat. Ich erzählte ihm in Stichpunkten alles. Auch die Geschichte mit Nardini und dem Lederkoffer. Erst sagte er gar nichts. Dann holte er tief Luft.
    »Mein lieber Jolly, ich müsste Sie auf der Stelle verhaften lassen.« Dann schwieg er und dachte nach. »Sie sind ja echt angeschmiert. Tja. Also: Frau Klein war entsetzlich. Das muss ich Ihnen nicht eigens erzählen. Sie hat sich vielfach rechtswidrig verhalten. Sie wollte über 800 psychisch schwer kranke Menschen im Schnellverfahren neu untersuchen, um sie abzuschieben. Sie durften nur nicht auf dem Transport verrecken. Alles andere war ihr

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