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Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser

Titel: Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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mir langsam Sorgen.«
    »Sein Blutdruck ist völlig normal.«
    »Jemand muss ihm was gegeben haben. Er hat geredet wie ein Wasserfall. Über eine Stunde. Wie unter Hypnose. Mit völlig teilnahmslosen Augen. Dann schwieg er. Mit einem seligen Lächeln lächelte er mich an. Dann kamen Sie, Gott sei Dank. Alleine hätte ich ihn nicht hierher geschafft.«
    Ich redete nie wie ein Wasserfall. Außerdem hätte ich gerne gewusst, mit wem ich geredet hatte wie ein Wasserfall. Der Stimme nach war es Barbara. Ich konnte mich nicht erinnern, dass ich ihr wasserfallartig etwas erzählt hatte. Eine Stunde lang. Normalerweise wusste ich das. Ich saß völlig alleine in dem Café. Mit der netten Bedienung. Ich konnte mich an den wunderbaren Käsekuchen erinnern und dass ich die ländliche Idylle in Schlabbach genießen wollte. Außerdem hatte ich heute Abend einen Termin mit dem Dicklichen und Torsten Meyer in dessen Wohnung über dem › Goldenen Ochsen ‹ . Wie also kam ich hierher? Wo überhaupt war ich? Ich schlug die Augen auf. Vor mir standen Frau Valéry und Barbara, die beiden Ärztinnen, die mich offensichtlich auf eine Pritsche in Frau Valérys Praxis gelegt hatten.
    »Hallo«, winkte ich.
    »Gehts Ihnen besser?«
    »Danke, Barbara. Mir geht es gar nicht schlecht. Wieso fragen Sie?«
    »Ich ging über den Markt und fand Sie in einem Café in einer, sagen wir, etwas entrückten Verfassung.«
    Barbara schaute mich seltsam an. Zumindest bildete ich mir das ein, dass sie mich seltsam anschaute. Ich hätte brennend gerne gewusst, was ich ihr wie ein Wasserfall verzapft hatte. Ich konnte mich beim besten Willen an nichts erinnern. Die Sache war mir peinlich. Ich richtete mich auf der Pritsche auf. »Erzählen Sie doch mal genauer.« Ich stieg von der Pritsche. Die beiden Frauen wollten mich stützen. »Alles einwandfrei.« Ich konnte laufen wie ein junger Spund.
    Wir gingen in den Garten auf die Terrasse. »Haben Sie einen Whisky?« Ich trank nie Whisky. Jetzt schien er mir angebracht.
    »Könnte ich auch gebrauchen.« Barbara wirkte angestrengt.
    »Ich auch«, lachte Frau Valéry und ging den Whisky holen.
    »Jemand hat Ihnen eine Droge verpasst.«
    Barbaras Augen wanderten weg von mir durch den Garten, als wollte sie mich nicht in Bedrängnis bringen. Ich war hart am Rande einer Bedrängnis. Etwas war mit mir passiert, ohne dass ich wusste, was. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals die Kontrolle über mich selbst verloren zu haben. Das erlaubte ich mir nicht.
    »Hallo, ich hau Ihnen jetzt die Nase platt!«
    Na und? Es gab viele platte Nasen in meinem Leben. Meine war nicht platt. Weil ich nie die Kontrolle verlor. Beherrschte Wut. Die Wut drangvoll kommen lassen. Sie bis zum Äußersten anschwellen lassen. Sie dabei auskosten. Wie eines Mondes lange Reise durch die Nacht. Sie auf den Punkt bringen. Fluchtpunkt. Bevor sie umkippt. In was? Keine Ahnung! Zuschlagen. Genau! Die andere Seite der Medaille interessierte mich nicht. Nie die Wut in Unbekanntes, Bedrohliches umkippen lassen! Am Ende andere Seiten aufschlagen. Auf meiner Seite waren die platten Nasen. Nasen platt hauen! Dann brandete aus mir Gelächter. Aus voller Kehle. Bis jetzt hatte noch niemand mit mir gelacht. Stimmte nicht. Diese Frau, die an diesem lauen Sommerabend in einem Blumengarten in Schlabbach vor mir saß, hatte mit mir gelacht. Lauthals. Auf der Fahrt nach Saarbrücken. Als ich die Autoscheiben mit dem schwarzen Lack zusprühte. Ich konnte mich nicht erinnern, mit einem Menschen, einem fremden dazu, jemals so gelacht zu haben. Ich beugte mich zu ihr. Sie schaute immer noch in den Garten. Ich ergriff ihre Hand. »Irgendwann erzählen Sie mir, was ich Ihnen erzählt habe. Wie ein Wasserfall. Ich wüsste es gerne. Aber nicht jetzt.«
    Sie schaute mich an und nickte bejahend. Dann zog sie ihre Hand zurück. Ich war davon überzeugt, dass es ihr unangenehm war, dass ich ihre Hand ergriffen hatte. Ich konnte mir meine unüberlegte Regung nicht erklären. Ich neigte nicht dazu.
    »Entschuldigung«, sagte ich.
    »Entschuldigung? Wofür?«
    »Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.«
    Sie hob eine Augenbraue und lächelte. Als wollte sie sagen, mein Lieber, treten Sie so nahe, wie Sie wollen. Sie hatte wieder dieses Winken in den Augen. Das bildete ich mir natürlich nur ein. Warum sollte sie ausgerechnet mir mit den Augen zuwinken?
    Gott sei Dank kam Frau Valéry mit dem Whisky.
    Wir stießen schweigsam an und tranken. Die zierliche Frau Valéry kippte den

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