Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser
Augen glimmte ein kleines Feuer. Er war offensichtlich wütend. Ich entdeckte ganz neue Seiten an dem dicken, großen Mann.
»Der Michel Kreutzer ist bis heute in der Geschlossenen. Rosi, du gehst jetzt sofort nach Hause, holst diese Berichte, und dann treffen wir uns auf der Wache und du gibst das alles zu Protokoll. Das geht an die Staatsanwaltschaft.«
»Dann bin ich meine Approbation als Ärztin los«, flüsterte Rosi und begann zu weinen.
»Nicht, wenn du uns hilfst.«
Rosi zog die Schürze aus, ging ins Café, um es bald darauf zu verlassen.
»Fritz, mit ein bisschen Glück könntest du jetzt auch in der Psychiatrie sitzen. Da wärst du gut aufgehoben. Du hast die falsche Pille erwischt.«
Diese Vorstellung versetzte mich nicht in Begeisterung. Beim nächsten Treffen würde ich den Tangotänzer aus dem Anzug hauen. Der trank bei mir keinen Wildkaffee aus Äthiopien mehr.
»Wirkt fast wie ein Anschlag gegen mich.«
»Denen ist was aus dem Ruder gelaufen.«
»Wann macht Torsten Meyer seine Aussage?«
»Heute, in Saarbrücken, beim LKA.«
»Was passierte denn, als dieser Michael Kreutzer ausrastete?«
Martin ächzte. Der Korbstuhl war viel zu eng für ihn. Die Fettwülste drückten sich über die Stuhllehnen.
»Das war der echte Hammer. Er attackierte mit allem, was greifbar war, unter unglaublichem Gebrüll, ich habe es bis in die Wache gehört, die anwesenden Gäste. Einer Kellnerin schmetterte er mit einem Stuhl das volle Tablett aus der Hand. Völlig unvermittelt legte er los. Er war mit seiner Frau und seinen zwei erwachsenen Kindern da. Kreutzer ist Ende 50. Dann trat er einen Kinderwagen um und griff die Mutter, die ihren Säugling auf dem Arm hatte. Seine Frau und die Kinder wollten ihn beruhigen. Er schlug seine Frau nieder. Der Sohn, Schwergewichtsringer in der Bundesliga, er ringt für Schiffweiler, nahm ihn in die Mangel. Das nützte nichts. Der Mann, selber bärenstark, entwickelte unglaubliche Kräfte. Er brüllte nach wie vor wie ein Grizzlybär und selbst in der Mangel schlug er blindlings um sich. Es war Raserei pur. Ich habe so etwas nie erlebt. Der tobende Mann drohte im Schwitzkasten seines Sohnes zu ersticken. Erst fünf Mann hoch überwältigten wir ihn. Wir drückten ihn auf den Boden. Wir knieten auf ihm. Selbst dann gab er keine Ruhe. Er tobte wie ein Berserker. Die Spritze eines Arztes erst beruhigte ihn. Er kam in die Psychiatrie nach Merzig. Dort ist er heute noch. Kreutzer war ein lammfrommer Mensch. Die Ruhe in Person. Ein Fels in der Brandung. Ein prima Kumpel. Und dann hat es ihn derart erwischt. Hätte dir auch blühen können.«
Diese Feststellung ignorierte ich.
»Wie haben die Gäste reagiert? Seine Frau, die Kinder?«
»Die waren schockiert. Die Frau und der Sohn waren danach bei Nemec in Behandlung. Der Sohn hatte es nicht verkraftet, seinen tobenden Vater fast umgebracht zu haben, derart musste er zudrücken, um ihn zu halten. Das hat er mir selbst gesagt. Ich hab gedacht, ich breche ihm den Hals ab, hat er gesagt. Was hätte ich denn machen sollen? Martin, was? Die Mutter war wochenlang neben der Spur. Ist es immer noch. Ich hab es noch nicht verkraftet, sagt sie, wenn ich sie sehe. Jetzt steh ich da ohne Mann. Als wär der Teufel in meinen Michael gefahren.«
»Und das war vor drei Wochen?«
»In etwa. Ich werde veranlassen, dass im ganzen Kreis untersucht wird, wer in den letzten zwei Monaten nach einem Besuch in einem Café oder Restaurant mit Ausrastern im Krankenhaus oder sonstwo eingeliefert wurde.«
Er wuchtete seinen massigen Körper aus dem Korbstuhl und setzte sich in Richtung Polizeiwache in Bewegung.
»Ich fahre heute zum Fort Hackenberg«, rief ich hinterher.
»Bis heute Abend.«
In einem Buchladen besorgte ich mir eine Landkarte von Elsass-Lothringen und eine Broschüre über das Fort Hackenberg. Die Hochzeit dort sollte um 17 Uhr stattfinden.
Die beiden Frauen waren nicht zu Hause. Ich setzte mich auf die Terrasse und las.
Zuerst kam Corinne. Sie wirkte angestrengt. Kurz darauf kam Barbara. Corinne war bei ihrem Rechtsanwalt der beschlagnahmten Unterlagen wegen gewesen. Keine Behörde fühlte sich zuständig. Die Unterlagen waren auf rätselhafte Art und Weise unauffindbar.
»Tun die nur so, als wüssten sie nichts, oder wissen die wirklich nichts?«, fragte ich.
Corinna zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht.«
Barbara war mit Torsten Meyer unterwegs. Sie hatten sich zufällig auf dem Markt getroffen.
»Torsten hat beim LKA
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